Die Illustration zeigt eine Hand, die ein Smartphone hält, umgeben von dem text "Fake News" und einer Schlange

Anschwellender Chor der Desinformation in Afrika

Chinas Einfluss in Afrika steht vor Herausforderungen: Während Peking um strategische Partnerschaften ringt, drängen neue Akteure wie Russland, die Türkei und die VAE auf den Kontinent. Mit Desinformation und digitaler Manipulation gestalten sie politische Realitäten – und gefährden die Demokratie. Wer kontrolliert Afrikas Zukunft?

Seit drei Jahrzehnten schickt Peking seinen Außenminister nach Afrika, um sein Engagement in der Region zu signalisieren. Doch China sieht sich wachsender Konkurrenz gegenüber: Andere antidemokratische Mächte streben zunehmend wirtschaftliche, politische und militärische Partnerschaften in Afrika an.

Während die Hegemonie der USA schwindet, hat die Fragmentierung der internationalen Ordnung in Afrika neue Möglichkeiten für den Iran, Russland, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geschaffen, die massiv in Handels- und Entwicklungsinitiativen investiert haben. Zu den neuen Marktteilnehmern gehören Ungarn, Saudi-Arabien und Katar. Auch das demokratische Indien unter dem Hindu-Populisten Narendra Modi wendet sich Afrika zu.

Diese Entwicklung birgt latente Risiken, unter anderem, dass ausländische Geldgeber die illiberalen Tendenzen einiger afrikanischer Regierungen verstärken könnten. Die Nutzung digitaler Propaganda und manipulierter Informationen durch externe Akteure für ihre Zwecke untergräbt bereits das Vertrauen der Öffentlichkeit in Demokratie und Liberalismus. Einige afrikanische Gruppen kopieren diese Taktiken.

Während die Hegemonie der USA schwindet, hat die Fragmentierung der internationalen Ordnung in Afrika neue Möglichkeiten für den Iran, Russland, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geschaffen.

Übereifrige westliche Akteure haben auch Schaden angerichtet, wenn auch in geringerem Ausmaß. Meta hat ein Desinformationsprogramm zerschlagen, das mit dem französischen Militär in Verbindung stand und mit dem rivalisierende russische Netzwerke in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) vor den dortigen Wahlen im Jahr 2020 ausgeschaltet werden sollten. Zuvor hatte sich das britische Unternehmen Cambridge Analytica im Auftrag privater Kunden in die Wahlen in Kenia und Nigeria eingemischt, bevor es 2018 schließen musste.

Desinformation ist in Afrika kein neues Phänomen. Staatliche Rundfunksender dominieren oft den Äther, dämonisieren die politische Opposition und tarnen die Interessen der Regierungspartei als Prioritäten für den Aufbau der Nation. Neu ist jedoch die Industrialisierung der viralen Verbreitung von Unwahrheiten durch externe Akteure. Beteiligt sind in- und ausländische Akteure, Regierungen, Privatunternehmen und digitale Intermediäre.

Virale Verbreitung von Unwahrheiten

Unabhängig davon, wer die Fäden in der Hand hält, ist das Ziel, die öffentliche Wahrnehmung zu verändern, Wahlergebnisse zu beeinflussen und die Regierungspolitik zu prägen. Zu den vielfältigen Auswirkungen gehört die Vergabe von Energie- und Bergbaurechten oder Bauaufträgen ohne ordentliches Verfahren an staatliche Unternehmen oder private Firmen im Ausland. Es werden vage militärische Kooperationsvereinbarungen und undurchsichtige Waffengeschäfte abgeschlossen. Oder der Zugang zu Häfen und fruchtbarem Ackerland wird erleichtert.

Russland war der Vorreiter dieser Social-Engineering-Strategie. In den letzten fünf Jahren hat die Facebook-Mutter Meta in mindestens acht afrikanischen Ländern mehrere Netzwerke zerschlagen, die russische Inhalte verbreiteten, verbündete Regierungsparteien feierten und Ultranationalismus schürten.

Die Auswirkungen sind enorm und erreichen Millionen von Nutzern in allen Zielgruppen. Soziale Medien in Afrika funktionieren wie eine neue Form des Bürgerradios. Community-Mitglieder versammeln sich oft um ein einziges Gerät, um Inhalte zu konsumieren – auch wenn sie in den Social-Media-Metriken nur als ein Nutzer gezählt werden.

Die Produktion und Koordination digitaler Propaganda ist eine Schlüsselkomponente dessen, was Experten als „Regime-Überlebenspaket“ bezeichnen, das Moskau fragilen Autokratien in Afrika wie Burkina Faso, der Zentralafrikanischen Republik, Mali und dem Sudan anbietet. Weitere Elemente sind die Unterstützung von Söldnern, die Finanzierung von Wahlkämpfen, politische Rückendeckung in internationalen Foren und Hilfe bei der Erschließung von Ressourcen.

Ausgeklügelte Franchising-Strategie

Russland hat es durch eine ausgeklügelte Franchising-Strategie vermieden, entdeckt zu werden. Anstatt dass der Kreml eigene Trollfarmen betreibt, werden Anweisungen und Zahlungen an Einheimische und Influencer weitergeleitet, damit diese manipulierte Inhalte auf Facebook, X, WhatsApp und Telegram erstellen. Die irreführenden Beiträge erscheinen als echt, was es für Plattformen, Behörden und andere Nutzer schwierig macht, sie zu erkennen.

Wenige Monate nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 identifizierte das zivilgesellschaftliche Untersuchungskonsortium „Code for Africa“ mindestens 175 Facebook-Seiten in 21 afrikanischen Ländern, die für einen Kontinent weiten Anstieg pro-russischer Inhalte verantwortlich waren. Posts mit gefälschten Informationen sollten das afrikanische Publikum davon überzeugen, dass es sich um einen vom Westen provozierten Stellvertreterkrieg handelt. Die Nutzer wurden in private WhatsApp- und Telegram-Chatgruppen eingeladen, um die Moderation der Inhalte zu umgehen.

Posts mit gefälschten Informationen sollten das afrikanische Publikum davon überzeugen, dass es sich um einen vom Westen provozierten Stellvertreterkrieg handelt.

Meta hat mehrere Netzwerke zerschlagen, die in mindestens acht afrikanischen Ländern für Russland geworben und Ultranationalismus gesät haben. Peking hat unterdessen seinen riesigen staatlichen Kommunikationsapparat genutzt, um die revisionistischen Darstellungen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu verbreiten. Mediennetzwerke wie CGTN, China Daily und Xinhuahaben Dutzende von Büros in ganz Afrika eröffnet. Ihre unerbittliche Berichterstattung umfasst auch die Rhetorik der Einheitsfrontabteilung der KPCh, einer staatlichen Agentur, die Einflussnahme im In- und Ausland mobilisiert.

In anderen Ländern bietet die Türkei afrikanischen Journalisten und Medienorganisationen eigennützige Schulungen an. Der Verband afrikanischer Journalisten beschuldigte die VAE, ihre Mitglieder zu einer negativen Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar, dem Rivalen der VAE am Golf, zu drängen. Ägypten, Marokko, Nigeria und Senegal wurden von iranischen Propagandanetzwerken beeinflusst.

Der Mangel an Content-Moderatoren, die die Landessprache fließend beherrschen, macht es praktisch unmöglich, Desinformation zu kontrollieren, selbst wenn die Technologieunternehmen dies wollten. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sie dies nicht tun. Mark Zuckerberg, CEO von Meta, kündigte Anfang Januar an, dass Facebook die jüngste Plattform sein werde, die ihre Beziehungen zu unabhängigen Fact-Checking-Gruppen abbricht.

Durch die Vermischung falscher Inhalte mit Kritik am Versagen westlicher Politik untergraben ausländische Regime die Demokratie in Afrika. Diese Desinformationskampagnen und Echokammern schüren Fehlinformationen in der afrikanischen Wählerschaft. Indem sie falsche und sensationslüsterne Inhalte mit legitimer Kritik am Versagen westlicher Politik vermischen, stellen illiberale ausländische Regime die Demokratie in Frage. Antidemokratische Akteure in Afrika haben daraus gelernt.

Durch die Vermischung falscher Inhalte mit Kritik am Versagen westlicher Politik untergraben ausländische Regime die Demokratie in Afrika.

Eine Analyse des Digital Forensic Research Lab des Atlantic Council zeigt, wie Facebook-Kampagnen entscheidend dazu beitrugen, öffentliche Unterstützung für Militärputsche in Mali, Niger und Burkina Faso zu mobilisieren. Im Sudan nutzten die schnellen Eingreiftruppen X, um sich als Verteidiger des Volkes darzustellen, obwohl es Beweise für ihre Kriegsverbrechen und Massaker an der Zivilbevölkerung gab. Die sudanesischen Streitkräfte verlassen sich auf die staatlichen und traditionellen regierungsnahen Medien, um ihre eigenen Übergriffe zu beschönigen.

In Zukunft werden die Online-Räume des Kontinents noch stärker umkämpft sein. Die wachsende geopolitische Bedeutung Afrikas geht einher mit einem prognostizierten explosionsartigen Anstieg neuer Internetnutzer.

Erschwerende Tools

Zuckerbergs Entscheidung scheint von dem Wunsch geleitet zu sein, sein Unternehmen mit der nativistischen Agenda der zweiten Trump-Administration in Einklang zu bringen. Frei verfügbare, auf künstlicher Intelligenz basierende Tools zur Erstellung von Inhalten erschweren Maßnahmen zur Bekämpfung vorsätzlicher Lügen zusätzlich.

Es stimmt, dass Demokratie allein keine effiziente Regierungsführung ermöglicht hat und dass korrupte Eliten Demokratien zunehmend manipulieren. Diese Erkenntnis gewinnt vor allem unter unzufriedenen Jugendlichen an Boden. Dennoch zeigt das Afrobarometer 2024, dass die meisten Afrikaner nach wie vor die Demokratie bevorzugen und viele Einparteienstaaten, Militärherrschaft und Diktaturen ablehnen.

Der Wunsch der Afrikaner nach Selbstbestimmung ist ungebrochen, und die Demokratie ist am besten geeignet, diesen Wunsch zu erfüllen, da sie regelmäßigen Wandel und Rechenschaftspflicht verspricht. Der Schutz der Integrität von Wahlen vor illiberaler Einmischung ist daher von größter Bedeutung.

Ein Bericht des Institute of Security Studies in Pretoria, der den Online-Diskurs während der südafrikanischen Wahlen 2024 untersucht, empfiehlt politischen Entscheidungsträgern und dem Privatsektor, die Ausbildung der Bürger in digitaler Kompetenz nach dem Vorbild bestehender Programme in Ghana und Kenia zu verstärken.

Forscher sollten untersuchen, wie regionale digitale Akteure zusammenarbeiten. Internationale Geber können Schulungen in digitaler Kompetenz für lokale Journalisten unterstützen und gleichzeitig die Erforschung ausländischer Einflussnahme in Afrika fördern.

Darüber hinaus können globale Wohltätigkeitsorganisationen, private Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen helfen, indem sie glaubwürdige unabhängige Nachrichtenkanäle finanzieren. Und westliche Gruppen, die sich für digitale Rechte einsetzen, müssen der afrikanischen Zivilgesellschaft helfen, Fake News zu entlarven.

Über den Autor
Kyle Hiebert
Analyst für politische Risiken und Autor

Kyle Hiebert ist unabhängiger Analyst für politische Risiken und Autor für das Centre for International Governance Innovation in Kanada. Zuvor war er in Kapstadt und Johannesburg als stellvertretender Redakteur des Africa Conflict Monitor tätig, der prägnante und aktuelle Analysen der wichtigsten Konflikt- und Terrorentwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent liefert.

Kulturreport Fortschritt Europa

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