Die Illustration zeigt zwei Hände, die eine hält Rohstoffe und die andere Symbole für Infrastruktur

EU und Afrika: Antwort auf Trumps Protektionismus

Trumps Protektionismus und Chinas Dominanz setzen Europa unter Druck. Doch statt in alte Muster zu verfallen, bietet sich eine neue Chance: eine starke Partnerschaft mit Afrika. Gemeinsame Interessen, wirtschaftliche Chancen und geopolitische Notwendigkeiten rücken beide Kontinente näher zusammen. Kann Europa den richtigen Kurs einschlagen?

Die Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump und sein protektionistischer Kurs versetzen die globale Diplomatie in Aufruhr. Traditionelle Allianzen stehen auf dem Prüfstand und Europa steht am Scheideweg. Um den Gefahren zu begegnen, die von dieser neuen Welle amerikanischer Abschottung ausgehen, sollten die europäischen Entscheidungsträger einen sinnvollen Schulterschluss mit Afrika suchen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Historische Verbindungen, geografische Nähe und bestehende Handelsbeziehungen bieten eine solide Basis. Erschwert werden die Beziehungen jedoch durch das Trilemma aus unterentwickeltem Handel, Talentmangel in Europa und technologischem Rückstand in Afrika.

Seit COVID-19 hat sich die Dynamik des Welthandels durch Nearshoring, Reshoring und Friendshoring verändert, da Länder versuchen, ihre strategischen Interessen zu wahren und ihre Lieferketten in Zeiten von Störungen zu stabilisieren. Der Zugang zu Energie und wichtigen Mineralien ist zu einer der wichtigsten Prioritäten geworden, wodurch Afrikas reiche Ressourcen zu einem wichtigen strategischen Vorteil für Europa werden.

Um den Gefahren zu begegnen, die von dieser neuen Welle amerikanischer Abschottung ausgehen, sollten die europäischen Entscheidungsträger einen sinnvollen Schulterschluss mit Afrika suchen.

Wirtschaftsexperten weisen jedoch darauf hin, dass die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika weit hinter ihrem Potenzial zurückbleiben. Eine Kombination aus historischem Ballast, politischer Trägheit und mangelnder Bereitschaft, sich den Problemen der Gegenwart zu stellen, hat dazu geführt, dass beide Seiten nur unzureichende Leistungen erbringen. Diese Reibungen bieten aber auch die Chance, die Beziehungen neu zu gestalten.

Mit einem pragmatischen und kooperativen Ansatz kann Europa ein Gegengewicht zu Chinas extraktiven Praktiken und Trumps Protektionismus bilden und den afrikanischen Staaten einen verlässlichen und langfristigen Partner im Westen bieten. Dies ist umso wichtiger, als in Afrika die Unzufriedenheit über Chinas Handelspraktiken wächst, bei denen der Rohstoffabbau ohne sinnvolle lokale Wertschöpfung im Vordergrund steht. Europa steht im Hinblick auf Überkapazitäten und einseitigen Handel vor ähnlichen Herausforderungen wie China und kann sich mit Afrika zusammentun, um diese Probleme gemeinsam anzugehen.

Neukalibrierung der europäischen Überregulierung

Um seine Beziehungen zu Afrika neu zu gestalten, muss Europa mehrere politische Veränderungen vornehmen:

Erstens muss es die Handelsbedingungen ausgleichen. Ein besserer Marktzugang für afrikanische Marken, der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse, die Abschaffung der Agrarsubventionen der Europäischen Union (EU) und die Anerkennung afrikanischer Herkunftsbezeichnungen würden zu einer faireren und gerechteren Partnerschaft führen.

Zweitens muss Europa die afrikanische kontinentale Freihandelszone aktiv unterstützen und dabei auf seine eigenen Integrationserfahrungen zurückgreifen, um den wirtschaftlichen Zusammenhalt Afrikas zu fördern.

Drittens muss Europas Hang zur Überregulierung neu kalibriert werden, der sich in politischen Maßnahmen wie dem Emissionshandelssystem und strengen Gesetzen zur kohlenstofffreien Schifffahrt und zur Abholzung von Wäldern manifestiert. Diese Maßnahmen drohen das Wachstum in Afrika zu ersticken, insbesondere angesichts des begrenzten fiskalischen Spielraums vieler afrikanischer Staaten.

Viertens muss Europa sein finanzielles Engagement für die afrikanische Infrastruktur erhöhen. Durch die Wiederbelebung der wenig überzeugenden Global Gateway Initiative kann Europa Projekte unterstützen, die die Konnektivität verbessern, die Produktionskosten senken und das Handelspotenzial Afrikas freisetzen.

Fünftens – und vielleicht am wichtigsten – bedarf es einer starken Führung und Vision seitens der politischen Entscheidungsträger. Dazu gehören einflussreiche kontinentale Schwergewichte wie die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union (AU) Moussa Faki Mahamat.

Mit einem pragmatischen und kooperativen Ansatz kann Europa ein Gegengewicht zu Chinas extraktiven Praktiken und Trumps Protektionismus bilden.

Doch ein solcher Politikwechsel ist leichter gesagt als getan. Die bürokratische Trägheit der EU und der wachsende Einfluss rechter politischer Kräfte drohen jede sinnvolle Annäherung zu verhindern. Auf afrikanischer Seite kommen innenpolitische Sorgen und ein oft mangelndes Engagement gegenüber den europäischen Partnern erschwerend hinzu.

Priyal Singh, Senior Researcher am Institute for Security Studies in Pretoria, sagt, viele europäische Hauptstädte seien frustriert, dass ihre Investitionen in Afrika von den afrikanischen Partnern nicht angemessen „belohnt“ oder anerkannt würden. Andere Akteure, wie zum Beispiel Russland, profitieren seiner Meinung nach weit überproportional. Der Aufbau einer nachhaltigen Partnerschaft erfordere mutige und koordinierte Anstrengungen auf beiden Seiten – eine hohe Anforderung, aber ein Muss für den beiderseitigen Wohlstand.

Die europäischen Volkswirtschaften befinden sich in einer demografischen Krise: Die Alterung der Bevölkerung und sinkende Geburtenraten bedrohen die langfristige wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Zuwanderung, insbesondere aus Afrika, ist unerlässlich, um den Mangel an Arbeitskräften zu beheben, vor allem in den gering qualifizierten Sektoren, die das Wirtschaftswachstum antreiben. Dennoch ist der politische Zeitgeist in ganz Europa zunehmend einwanderungsfeindlich.

Dieses politische Paradoxon wird immer unhaltbarer. Die europäischen Volkswirtschaften sind auf afrikanische Talente angewiesen, um ihr Wachstum aufrechtzuerhalten, aber zunehmende Fremdenfeindlichkeit und eine restriktive Einwanderungspolitik versperren ihnen den Zugang zu den benötigten Arbeitskräften. Doch die bürokratische Trägheit der EU und der wachsende Einfluss rechter politischer Kräfte könnten die Annäherung zum Scheitern bringen. Die Wahrnehmung einer Flut von undokumentierten, gering qualifizierten Migranten schürt den Rechtspopulismus, bedroht den sozialen Zusammenhalt und führt zu noch strengeren Einwanderungskontrollen. Dies wiederum birgt die Gefahr, dass die legale Zuwanderung qualifizierter afrikanischer Arbeitskräfte behindert wird.

Kampf gegen den Braindrain

Unterdessen kämpft Afrika gegen den Braindrain. In Nigeria zum Beispiel hat der wirtschaftliche Abschwung nach der Pandemie die Abwanderung von Fachkräften beschleunigt - ein Trend, der als „Japa“ bekannt ist, da Talente nach stärkeren Währungen und besseren Möglichkeiten im Ausland suchen.

Gleichzeitig verschärfen Budgetkürzungen, fiskalische Zwänge und der Klimawandel die Unsicherheit in ganz Afrika und treiben die illegale Migration voran. Aufgrund der geografischen Nähe fließt ein großer Teil dieser Migration nach Europa, was zu weiteren politischen Spannungen führt. Um diesen miteinander verknüpften Herausforderungen zu begegnen, muss Europa seine Migrationspolitik überdenken.

Rachel Rizzo, Mitarbeiterin des Europa-Zentrums des Atlantic Council, erklärte gegenüber ISS Today, dass Länder an vorderster Front, wie Italien, eine viel härtere Linie in Bezug auf Migration aus Afrika verfolgen und gleichzeitig neue Maßnahmen wie den Mattei-Plan umsetzen. Dieser Plan ziele darauf ab, Italien zu einem Energiezentrum zwischen Nordafrika und Europa zu machen. Sie weist darauf hin, dass die beiden Themen miteinander verknüpft sind und dass es interessant sein wird, in anderen europäischen Ländern zu beobachten, wie das „Migrationsmanagement“ mit einer umfassenderen Wirtschafts- und Handelspolitik gegenüber Afrika zu verschmelzen beginnt.

Die digitale Landschaft Afrikas befindet sich an einem kritischen Punkt. Das Potenzial des Kontinents als Technologiemarkt ist angesichts seiner wachsenden Bevölkerung und Konsumentenbasis unbestreitbar. Die digitale Infrastruktur und die digitalen Fähigkeiten sind jedoch noch unterentwickelt, was den Kontinent anfällig für die Ausbeutung durch den globalen Technologiewettbewerb macht, der von den USA und China dominiert wird.

Während die USA bei Software und China bei Hardware führend sind, hat Europa die Chance, sich als verlässlicher Partner für Afrika zu profilieren. Durch die Unterstützung der Entwicklung der afrikanischen digitalen Infrastruktur und der Ausbildung von Fachkräften kann Europa dazu beitragen, Afrika unter faireren Bedingungen in die globale digitale Wirtschaft zu integrieren.

Die Zusammenarbeit bei neuen Technologien wie der künstlichen Intelligenz bietet Vorteile für beide Seiten: Sie sichert Afrikas Teilhabe und schützt gleichzeitig vor Ausbeutung und Übervorteilung durch globale Mächte. Die Unterstützung durch europäische Infrastrukturen und Kompetenzen kann dazu beitragen, Afrika unter gerechteren Bedingungen in die globale digitale Wirtschaft zu integrieren.

Mandira Bagwandeen von der Universität Stellenbosch hebt die Bedeutung von Projekten wie dem AU-EU Digital for Development Hub hervor, das dazu beigetragen hat, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Regionen zu vertiefen und die Netzwerke zwischen den verschiedenen Akteuren im digitalen Sektor in Afrika und Europa zu stärken. Durch hochrangige Dialoge, Austauschprogramme und Workshops hat das Projekt den Wissens- und Technologietransfer erleichtert und so zur digitalen Entwicklung und Transformation Afrikas beigetragen.

Die Zusammenarbeit bei neuen Technologien wie der künstlichen Intelligenz bietet Vorteile für beide Seiten: Sie sichert Afrikas Teilhabe und schützt gleichzeitig vor Ausbeutung und Übervorteilung durch globale Mächte.

Diese Initiativen zeigen, dass Europa das Potenzial hat, Afrikas digitale Ambitionen zu unterstützen. Die bestehenden EU-Afrika-Innovationsprogramme müssen jedoch mit neuem Leben erfüllt werden, um konkrete Chancen für afrikanische Unternehmer und Unternehmen zu schaffen. Europas Stärken im Bereich der Regulierung, wie die Datenschutz-Grundverordnung, sind eine gute Ausgangsposition, um die digitale Souveränität Afrikas zu fördern und den Kontinent dabei zu unterstützen, seine Daten und seine digitale Infrastruktur vor ausbeuterischen Praktiken zu schützen.

Die Chancen für Europa und Afrika könnten kaum größer sein. Ein wirtschaftlich dynamisches Afrika bietet Europa enorme Möglichkeiten, von neuen Märkten und billigeren Importen bis hin zu einem konstanten Arbeitskräfteangebot, das den demografischen Rückgang ausgleichen kann. Umgekehrt würde ein wirtschaftlicher Misserfolg Afrikas die Herausforderungen für Europa verschärfen, einschließlich Migrationsdruck und wirtschaftlicher Stagnation.

Um die Beziehungen zwischen der EU und Afrika zu verbessern, bedarf es nicht nur eines politischen Kurswechsels, sondern auch eines anderen Tons. Das europäische Engagement für Afrika war oft von Herablassung und Selbstgerechtigkeit geprägt. Afrikanische Führer, die zunehmend selbstbewusst und strategisch agieren, lehnen überholte Vorstellungen von Wohltätigkeit ab und fordern echte Partnerschaften. Der anhaltende Unmut über das Horten von Impfstoffen, die Doppelmoral beim Klimaschutz und die Reiseverbote haben die Kluft nur noch vertieft.

Um die Beziehungen zwischen der EU und Afrika zu verbessern, bedarf es […] auch eines anderen Tons. Das europäische Engagement für Afrika war oft von Herablassung und Selbstgerechtigkeit geprägt.

Die Zukunft Europas ist untrennbar mit der Zukunft Afrikas verbunden. Eine Neuausrichtung der Beziehungen, die auf gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Zielen beruht, ist angesichts der aktuellen Lage ebenso vorteilhaft wie opportun. Sie ist auch eine wirksame Strategie zur Risikominderung für beide Kontinente angesichts ihrer jeweiligen Herausforderungen.

Über den Autor
Ronak Gopaldas
Politischer Ökonom, Autor und Dozent

Ronak Gopaldas ist politischer Ökonom, Autor und Dozent. Seine Arbeit konzentriert sich auf die Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Unternehmen in Afrika. Derzeit ist er Berater am Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria (Südafrika), Direktor der Risikomanagement-Beratungsfirma Signal Risk, Fellow an der South African Business School GIBS und Mitbegründer von Mindflux Training.

Kulturreport Fortschritt Europa

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