Die Illustration zeigt vier Menschen, davon tragen drei ein Kopftuch. Sie sitzen verzweifelt am Boden oder heben die Hände in den Himmel.

Gefangen zwischen Teufel und Tiefsee

Bangladesch hat zehntausende Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar auf eine bisher unbewohnte Insel vor seiner Küste umgesiedelt. Die staatenlosen Rohingya, die in Lagern unter prekären Bedingungen leben, sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.

Reihen um Reihen ordentlich aufgereihter Blöcke von Zweizimmerwohnungen säumen die östliche Ecke von Bhasan Char, einer 40 Quadratkilometer großen Sandbankinsel vor der Küste Bangladeschs im Golf von Bengalen innerhalb der Hoheitsgewässer des Landes. Frauen wiegen ihre Babys auf den schmalen und engen Balkonen dieses riesigen Betonklotzes, während die Männer untätig durch die trostlose Inselkolonie streifen, in der heute etwa 20.000 Rohingya-Flüchtlinge leben, die vor einigen Jahren umgesiedelt wurden, als die Siedlungen im bangladeschischen Cox's Bazar zu überlaufen begannen.

Dies ist nur ein Bruchteil der Gesamtzahl der Rohingya-Flüchtlinge – derzeit etwa eine Million in Bangladesch –, die im Zuge des gewaltsamen ethnischen Konflikts im myanmarischen Bundesstaat Rakhine im Jahr 2017 in provisorischen Unterkünften in Cox's Bazar, einer 220.000 Einwohner-Küstenstadt, untergebracht wurden.

Dies ist nur ein Bruchteil der Gesamtzahl der Rohingya-Flüchtlinge [...], die im Zuge des gewaltsamen ethnischen Konflikts im myanmarischen Bundesstaat Rakhine im Jahr 2017 in provisorischen Unterkünften in Cox's Bazar [...] untergebracht wurden.

Etwa zur gleichen Zeit flohen rund 40.000 Rohingya über Bangladesch nach Indien – während mehrere Tausend in Indonesien und Malaysia angesiedelt wurden, um die sich abzeichnende humanitäre Flüchtlingskrise zu bewältigen.

Top-down-Humanität

Die Bemühungen der Regierung von Bangladesch, die Rohingya-Flüchtlinge auf Bhasan Char umzusiedeln, das etwas Unheimliches und Unheilvolles an sich hat – bhasan bedeutet auf Deutsch übersetzt „treiben“ – waren wenig erfolgreich. Mehrere Rohingya wagten es, oft mit tödlichen Folgen, vom Meer aus nach Cox's Bazar zurückzukehren und machten damit die Grenzen und den Umfang humanitärer Hilfe deutlich, vor allem, wenn diese zumeist „von oben nach unten“, also Top-down, geleistet wurde.

Obwohl die Regierung von Bangladesch plant, 100.000 Flüchtlinge nach Bhasan Char umzusiedeln, ist die Unsicherheit der Rohingya vor allem auf die extremen Wetterbedingungen und die Einschränkung ihres Rechts auf Mobilität zurückzuführen. Die Rohingya haben sich geweigert, an einen so weit entfernten Ort umgesiedelt zu werden, der bis vor kurzem noch unter Wasser stand. Dies hat zu ihrer unsicheren und prekären Zukunft in Bangladesch beigetragen.

Heute, da sich die militärische Situation im Bundesstaat Rakhine in Myanmar, der Heimat der Rohingya, zugunsten der Rebellen der Arakan-Armee verändert hat, sind die Flüchtlinge und ihre Situation in Bangladesch, Indien, Indonesien und Malaysia wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Schließlich zwang der Konflikt im Bundesstaat Arakan die Rohingya vor sieben Jahren, die Grenzen nach Bangladesch und darüber hinaus zu überqueren.

Heute, da sich die militärische Situation im Bundesstaat Rakhine in Myanmar, der Heimat der Rohingya, zugunsten der Rebellen der Arakan-Armee verändert hat, sind die Flüchtlinge und ihre Situation in Bangladesch, Indien, Indonesien und Malaysia wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.

Die Rohingya wurden oft als „staatenlos“ bezeichnet – ohne dass einer der „aufnehmenden“ Staaten wirklich bereit war, sie als Volk in der Krise aufzunehmen und daher Schutz zu verdienen – vor allem wegen ihrer bewegten Vergangenheit in Myanmar. In der Zeit nach 1941, nach der japanischen Invasion in Britisch-Burma, wurden die Rohingya vor allem aufgrund ihrer religiösen, kulturellen und sprachlichen Ähnlichkeiten in die bengalische Gastgemeinschaft integriert.

Koloniale Grenzen

Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Rohingya im Aufnahmestaat entsprach nicht den territorialen Grenzen der postkolonialen Staaten. Es wurde vielmehr durch gemeinsame kulturelle Verwandtschaft, Religion oder Sprache geprägt. Zwei Konzepte, Staatenlosigkeit und Rechtlosigkeit, sind der Schlüssel zum Verständnis der Notlage der Rohingya und der entsprechenden staatlichen Reaktionen bzw. deren Ausbleiben.

Das Konzept der Staatenlosigkeit ist das Gegenteil von Staatsbürgerschaft. Es ist das „Othering“ eines Bürgers, der auch rechtlos ist. Staaten- und Rechtlosigkeit erleben die Rohingya-Flüchtlinge in den Lagern, in denen die Folgen einer solchen Verweigerung fast täglich verhandelt werden.

Im Laufe der Jahre, als sich die Lebensbedingungen der Rohingya in den Lagern nicht wesentlich verbesserten, stellten die Staaten zunehmend die nationale Sicherheit über die Prinzipien von Zuflucht und Gastfreundschaft – im Wesentlichen ein performativer Akt „politischer Verantwortung“.

Wissenschaftler argumentieren, dass der „Schaden“, der Flüchtlingen und Staatenlosen zugefügt wird, sowohl rechtlich als auch politisch ist und die Verweigerung der Staatsbürgerschaft und grundlegender menschlicher Qualitäten beinhaltet. Aus der Sicht der Flüchtlinge wurzelt Menschlichkeit in Moral, Gerechtigkeit und gegenseitiger Hilfe. Gleichzeitig muss es bei einem Ort sicherer Zuflucht um die Idee der Zugehörigkeit gehen, die auf dem territorialen Konzept der Staatsbürgerschaft basiert. In Ermangelung eines Schutzregimes wird Zuflucht indes auf der Grundlage tief verwurzelter Bräuche und Praktiken der Aufnahmeländer gewährt.

Während die Praxis der Gewährung von Zuflucht in die kulturellen Normen der einzelnen Nationen eingebettet ist, „beinhalten ihre Anpassungen eine inhärente Variation aufgrund der Unterschiede in den Modalitäten der Gesetze, Regeln und Vorschriften, die im täglichen Leben angewandt werden“.

Während die Humanität in Indien aus staatlicher Sicht weitgehend ein 'identitätsbasierter Schutz' war, wurden die Rohingya-Flüchtlinge in Indien [...] als Außenseiter und damit als die 'Anderen' beschrieben.

Während die Humanität in Indien aus staatlicher Sicht weitgehend ein „identitätsbasierter Schutz“ war, wurden die Rohingya-Flüchtlinge in Indien, die über Jammu, Haryana, Delhi und Hyderabad verstreut sind, ständig – explizit und implizit – als Außenseiter und damit als die „Anderen“ bezeichnet.

Die Besorgnis der indischen Regierung über bestimmte Arten von Migranten, ob erzwungen oder nicht, hat die „illegale Migration der Rohingya“ konsequent durch die Sicherheitsbrille betrachtet. „...Ihr Aufenthalt in Indien ist nicht nur absolut illegal, sondern hat auch Auswirkungen auf die Sicherheit“, erklärte die Regierung und berief sich dabei auf „glaubwürdige Informationen über eine große Anzahl von Rohingya, die in Aktivitäten zur Beschaffung gefälschter indischer Ausweispapiere, Menschenhandel und subversive Aktivitäten in verschiedenen Teilen des Landes verwickelt sind, die eine Bedrohung für die innere und nationale Sicherheit darstellen“.

Die Situation der Rohingya in Indien ist aufgrund ihrer ethnischen Herkunft sehr prekär. Aber auch weil Indien bereits das zweite Asylland nach Bangladesch ist. Dort zeigt sich ihre schwierige Lage auch in den 34 Lagern im Distrikt Cox's Bazar.

Die Flüchtlingsgemeinschaften, die in diesen Lagern leben, sind staatenlos, aber dennoch „Bürger Myanmars“. Sie sind auf die humanitäre Hilfe von Hilfsorganisationen angewiesen, um Schutz, Nahrung, Wasser, Unterkunft und Gesundheitsversorgung zu erhalten, und leben in provisorischen Unterkünften in stark überfüllten Lagern.

Gefangen zwischen dem „Teufel und der Tiefsee“, betrachten die Rohingya die Lager als ihre Heimat in den Asylländern. Ihr kollektiver Zustand ist erbärmlich, da sie ein Leben in Erniedrigung im Exil führen und wenig oder keine Hoffnung auf Rückkehr in ihr Heimatland Myanmar haben.

Ursprünglich veröffentlicht unter Creative Commons von 360info™.

Über die Autorin
Nasreen Chowdhory
Politikwissenschaftlerin

Nasreen Chowdhory ist Professorin an der Universität Delhi, wo sie Vergleichende Politikwissenschaft, Indische Politik, Ethnizität und Nationalismus sowie Zwangsmigration und Staatsbürgerschaft lehrt. 2007 promovierte sie in Politikwissenschaften an der McGill University, Kanada. Ihre Dissertation befasste sich mit dem Thema „Zugehörigkeit im Exil und ‚Heimat‘: Die Politik der Repatriierung in Südasien“.

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