Roboter hält Erde mit einem Pflanzensamen in den Händen

KI und Klimaschutz – ein transatlantischer Dialog

Welchen Beitrag kann Künstliche Intelligenz zum Klimaschutz leisten? Oder stehen beide Entwicklungen im Widerspruch? Heike Brugger reiste für das Vortragsprogramm der Bundesregierung nach Kanada und sprach dort über den Zusammenhang zweier Schlüsselthemen unserer Zeit.

Im Fokus meiner Reise, die mich an Universitäten in Montreal, Ottawa und Toronto führte, stand die Frage, wie KI zum Klimaschutz beitragen kann, ohne durch ihren erheblichen Energieverbrauch zu einer weiteren Klimabelastung zu werden. An den Diskussionen nahmen Wissenschaftler:innen, Expert:innen und Stakeholder aus Umwelt-NGOs, Wirtschaft und Politik teil.

Zu Beginn gab ich jeweils einen Überblick über die deutschen und europäischen Klimaziele und den aktuellen Stand der Umsetzung. Diese Ziele sind im internationalen Vergleich keine Selbstverständlichkeit, insbesondere in ihrer ambitionierten Ausgestaltung bis 2045 (in Deutschland) bzw. 2050 (in der EU) und vor allem angesichts des Zwischenziels, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken – bei gleichzeitig noch hoher Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und der anspruchsvollen Transformation des Energiesystems von Kohle und Atom hin zu erneuerbaren Energien. Der Atom- und Kohleausstieg in Deutschland war immer wieder Gegenstand der Fragen.

Es wurde deutlich, dass Debatten um Energieeffizienz und damit verbundene Kosteneinsparungen in Kanada aufgrund reichlich verfügbarer Energieressourcen und niedriger Energiepreise keine Rolle spielen. Während hierzulande der Ausbau von Solar- und Windenergie vorangetrieben wird, setzen die kanadischen Provinzen Ontario und Québec primär auf Wasserkraft und Nuklearenergie. In Ontario werden 54 Prozent des Stroms aus Nuklearenergie hergestellt, in Québec 94 Prozent aus Wasserkraft.

In Deutschland ist das Potenzial für Wasserkraft begrenzt, da nur wenige Flüsse ausreichend groß sind und die meisten bereits für die Schifffahrt oder andere Zwecke genutzt werden. Ein Ausbau der Wasserkraft stellt somit keine realistische Option dar. In Kanada hingegen erlaubt die Geografie den Bau großer Wasserkraftwerke, die eine grundlastfähige und gut steuerbare Energieversorgung gewährleisten und von wenigen Erzeugern effizient betrieben werden. Das Interesse am Thema Energieeffizienz und an Lösungen zur besseren Energie- und Ressourceneffizienz in Deutschland war daher groß.

Intelligente Systeme für Klimaschutz und Ressourceneffizienz

Für das zunehmend dezentrale Energiesystem in Deutschland müssen erneuerbare Energien, die oft volatil sind, intelligent gesteuert werden – sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Neue Technologien wie Wärmepumpen, Elektroautos und Heimspeicher ermöglichen es, den Energieverbrauch flexibler zu steuern und das Energiesystem aktiv mitzugestalten. Um die (Preis-)Vorteile der erneuerbaren Energien optimal zu nutzen, ist eine smarte, automatisierte Steuerung unverzichtbar. Hierfür werden Datenaustausch und die Entwicklung smarter Businessmodelle immer wichtiger.

Um die (Preis-)Vorteile der erneuerbaren Energien optimal zu nutzen, ist eine smarte, automatisierte Steuerung unverzichtbar.

Gleichzeitig kann KI auch auf der Nachfrageseite enorme Dienste für den Klimaschutz leisten, etwa durch die Optimierung der Ressourcennutzung in einem künftig auf Kreislaufwirtschaft ausgerichteten Industriesektor. Mit intelligenter Planung trägt die Kreislaufwirtschaft zu einer deutlichen Reduktion des Ressourcenverbrauchs bei – und damit zum Klimaschutz. Auch Endverbraucher:innen profitieren von der Nutzung intelligenter Systeme, denn sie helfen, Energie zu sparen und den Verbrauch auf Zeiten mit hoher Verfügbarkeit zu verlagern. Beispielsweise lassen sich Wärmepumpen so optimieren, dass sie Häuser bereits mittags vorheizen, wenn viel erneuerbarer Strom im Netz vorhanden ist, statt wie gewohnt in den stark nachgefragten Abendstunden. Das entlastet das ganze Energiesystem – ein Vorteil für alle.

Neben dem Energiesektor gibt es viele weitere Beispiele, wie KI für den Klimaschutz eingesetzt werden kann. So lässt sich unter anderem Aufforstung durch Drohnenüberflüge und die KI-basierte Erkennung gefährdeter Baumbestände effizienter gestalten. Aufforstung ist wichtig, um Kohlendioxid langfristig zu binden. Auch in der Anpassung an den Klimawandel wird KI bereits sinnvoll eingesetzt, unter anderem in der Frühwarnerkennung von Unwetterereignissen. All diese Beispiele diskutierte ich in Kanada intensiv, und das Interesse daran war groß.

KI – neues Sorgenkind der Energiewende?

Neben den Vorteilen von KI für den Klimaschutz müssen auch die Herausforderungen und Risiken betrachtet werden. Diese betreffen einerseits das Klima selbst, durch die erhöhten Energiebedarfe und notwendigen Rechenkapazitäten, und andererseits die Sicherheit, insbesondere durch den Einsatz von KI im Infrastrukturbereich und in systemkritischen Bereichen wie der Energieversorgung.

Nach aktueller Einschätzung der Internationalen Energieagentur macht der Strombedarf von Rechenzentren und Datenübertragungsnetzen aktuell etwa 2 bis 3 Prozent des globalen Stromverbrauchs aus, mit steigender Tendenz. Das Training und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz benötigen deutlich größere Rechenkapazitäten als klassische Anwendungen, was sich bereits jetzt in einer stark steigenden Energienachfrage bemerkbar macht. Ein Beispiel bietet Google: Nach eigenen Angaben stiegen die CO2-Emissionen des Unternehmens im Jahr 2023 um 13 Prozent auf insgesamt 14,3 Millionen Tonnen.

Während die Herausforderungen in der Energiewende in Kanada und Deutschland unterschiedlich sind, spielt die Weiterentwicklung von KI in beiden Ländern eine wichtige Rolle. Ein führendes Forschungsinstitut ist das Vector Institute in Toronto, das ich während meiner Reise besuchte.

Es wurde 2017 vom diesjährigen Physik-Nobelpreisträger Geoffrey Hinton mitgegründet. Hinton, der mit seinen Arbeiten zu maschinellem Lernen den Grundstein für die weiteren Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz legte, war Doktorvater des OpenAI-Mitgründers Ilya Sutskever und so maßgeblich an der Entstehung neuerer, generativer KI-Modelle beteiligt. Mittlerweile gehört Hinton zu den bekanntesten Kritikern des Umgangs mit Künstlicher Intelligenz und spricht sich für eine deutlich stärkere Regulierung aus.

Spannende Diskussionen zu den EU-Rechtsakten

Ein weiteres zentrales Thema der Gespräche in Kanada war die Auseinandersetzung mit den Europäischen Rechtsakten: dem AI Act und dem Data Act. Ziel des AI Act ist es, die mit KI verbundenen Risiken zu bewerten und strengere Regeln für Anbieter von risikoreicheren Anwendungen einzuführen, beispielsweise in der (Energie-)Infrastruktur. Dies soll unregulierte KI-Anwendungen verhindern und die kritische Infrastruktur schützen. Auch andere Bereiche, etwa Medizin, werden durch den AI Act stärker reguliert. Als weltweit erste Rechtsakte dieser Art stießen sie in den Vortragsveranstaltungen auf reges Interesse. Die kanadische (Digital-)Wirtschaft hingegen zeichnet sich durch eine geringe Regulierung aus, was schnelles Entwicklungspotenzial ermöglicht, die Risiken aber auch weniger kalkulierbar macht.

Ziel des AI Act ist es, die mit KI verbundenen Risiken zu bewerten und strengere Regeln für Anbieter von risikoreicheren Anwendungen einzuführen.

Die vielen Gespräche vor Ort waren bereichernd. Am meisten beeindruckte mich, wie weit die kanadischen Institutionen beim Thema KI-Anwendungen vorangeschritten sind, am Vector Institute insbesondere in der Medizinforschung. Kooperationen zwischen europäischen und kanadischen Forschungseinrichtungen könnten dazu beitragen, KI-Anwendungen zu entwickeln, die einen Mehrwert für den Klimaschutz leisten und dabei dem jeweiligen regionalen Kontext gerecht werden. Insbesondere die Option für kanadische Institutionen, am europäischen Forschungsprogramm „Horizon“ teilzunehmen, bietet neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, welche zukünftig stärker in den Blick genommen werden sollen.

Über die Autorin
Foto von Heike Brugger
Heike Brugger
Leiterin des Geschäftsfelds Energiepolitik, Fraunhofer Institut

Heike Brugger ist Mathematikerin, Physikerin und promovierte Politologin und leitet das Geschäftsfeld Energiepolitik am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind das Design und die Evaluierung von energiepolitischen Instrumenten, insbesondere in den Bereichen Energieeffizienz, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Vortragsprogramm der Bundesregierung

Expert:innen aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Medien informieren in Vorträgen und Podiumsdiskussionen aktuell und vielschichtig über Deutschland. Das ifa organisiert das Vortragsprogramm der Bundesregierung zusammen mit den deutschen Botschaften und Konsulaten im Ausland. Es richtet sich an Multiplikator:innen der Zivilgesellschaft in diesen Ländern. Weitere Informationen auf der Website des ifa.