Unter den konservativen Intellektuellen ist Patrick Deneen am weitesten gegangen, indem er argumentierte, dieser gesamte Ansatz sei zutiefst fehlerhaft, eben, weil er auf dieser individualistischen Prämisse beruht und individuelle Autonomie über alle anderen Güter stellt. Das gesamte amerikanische Projekt, das auf den individualistischen Grundsätzen von Locke beruht, ist seiner Meinung nach daher verfehlt.
Der Mensch ist für ihn nicht in erster Linie ein autonomes Individuum, sondern ein zutiefst soziales Wesen, das durch seine Verpflichtungen und Bindungen an eine Reihe sozialer Strukturen definiert ist, von der Familie über Verwandtschaftsgruppen bis hin zu Nationen.
Der Erfolg des Menschen über die Jahrtausende hinweg, der es unserer Spezies ermöglicht hat, ihren natürlichen Lebensraum vollständig zu beherrschen, hat mit dieser Fähigkeit zu tun, Normen zu befolgen, die zu sozialer Zusammenarbeit führen.
Dieses soziale Verständnis der menschlichen Natur war eine Binsenweisheit, welche die meisten Denker vor der westlichen Aufklärung als selbstverständlich ansahen. Sie wird auch von zahlreichen neueren Forschungsergebnissen in den Biowissenschaften gestützt, die zeigen, dass der Mensch von Natur aus ein soziales Lebewesen ist:
Viele unserer hervorstechendsten Fähigkeiten sind solche, die uns dazu bringen, in Gruppen unterschiedlicher Größe und Art miteinander zu kooperieren. Diese Zusammenarbeit beruht nicht unbedingt auf rationalem Kalkül, sondern wird durch emotionale Fähigkeiten wie Stolz, Schuld, Scham und Wut unterstützt, die soziale Bindungen stärken. Der Erfolg des Menschen über die Jahrtausende hinweg, der es unserer Spezies ermöglicht hat, ihren natürlichen Lebensraum vollständig zu beherrschen, hat mit dieser Fähigkeit zu tun, Normen zu befolgen, die zu sozialer Zusammenarbeit führen.
Im Gegensatz dazu ist der in der liberalen wirtschaftlichen und politischen Theorie gefeierte Individualismus eine kontingente Entwicklung, die in den westlichen Gesellschaften im Laufe der Jahrhunderte entstanden ist. Seine Geschichte ist lang und kompliziert, aber er entspringt den von der katholischen Kirche im frühen Mittelalter aufgestellten Erbschaftsregeln, die die ausgedehnten Verwandtschaftsnetzwerke untergruben, die die germanischen Stammesgesellschaften geprägt hatten.
Der Individualismus wurde darüber hinaus bestätigt, da er den Marktkapitalismus funktional förderte: Märkte funktionierten effizienter, wenn der Einzelne nicht durch Verpflichtungen gegenüber Verwandten und anderen sozialen Netzwerken eingeschränkt war. Doch diese Art von Individualismus hat schon immer den sozialen Neigungen der Menschen widersprochen. Auch für Menschen in bestimmten nicht-westlichen Gesellschaften wie Indien oder der arabischen Welt, in denen Verwandtschafts-, Kasten- oder ethnische Bindungen immer noch zum Leben gehören, ist er nicht selbstverständlich.
Die Konsequenz aus diesen Beobachtungen für die heutigen liberalen Gesellschaften ist einfach zu ziehen. Die Mitglieder solcher Gesellschaften wollen auf vielfältige Weise miteinander verbunden sein: als Bürger einer Nation, als Mitglieder einer ethnischen Gruppe, als Bewohner einer Region oder als Anhänger einer religiösen Überzeugung. Die Zugehörigkeit zu solchen Gruppen verleiht ihrem Leben Sinn und Struktur, wie es die bloße Staatsbürgerschaft in einer liberalen Demokratie nicht vermag.
Der Individualismus wurde darüber hinaus bestätigt, da er den Marktkapitalismus funktional förderte: Märkte funktionierten effizienter, wenn der Einzelne nicht durch Verpflichtungen gegenüber Verwandten und anderen sozialen Netzwerken eingeschränkt war. Doch diese Art von Individualismus hat schon immer den sozialen Neigungen der Menschen widersprochen.