Vorbeugende Inhaftierung
Als ich im britisch regierten Indien der Kolonialzeit zur Schule ging, saßen viele meiner Verwandten, die gewaltlos für die Unabhängigkeit Indiens kämpften (inspiriert von Mahatma Gandhi und anderen Verfechtern der Freiheit), in britischen Gefängnissen in so genannter „Präventivhaft“, angeblich, um sie von Gewalttaten abzuhalten, obwohl sie nichts dergleichen getan hatten. Nach der Unabhängigkeit Indiens wurde die Präventivhaft als eine Form der Inhaftierung abgeschafft, doch später wurde sie, in einer relativ gemäßigten Form, zunächst von der Kongressregierung wieder eingeführt.
Das war schlimm genug, doch unter der jetzt im Amt befindlichen, an der Hindutva, einem Hindu-Nationalismus orientierten Bharatiya Janata Party-Regierung hat die Vorbeugehaft deutlich größere Bedeutung erlangt, weil sie die problemlose Festnahme und Inhaftierung von Oppositionspolitikern ohne Gerichtsverfahren ermöglicht. Tatsächlich kann der Staat seit letztem Jahr unter den Bestimmungen eines neu ausgearbeiteten „Unlawful Activities (Prevention) Act“ (Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten, kurz UAPA) jemanden einseitig zum „Terroristen“ erklären, was es erlaubt, diesen angeblichen Terroristen ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis zu stecken.
Eine ganze Reihe von Menschenrechtsaktivisten wurden als Terroristen eingestuft und befinden sich im Rahmen dieser Regierungsanordnung bereits im Gefängnis, und viele andere wurden gewarnt, dass das UAPA auf sie angewandt werde, sollten sie den Behörden nicht gehorchen und aufhören, gegen die Regierung zu sein.
Wenn jemand als „antinational“ bezeichnet wird – ein großer philosophischer Vorwurf –, so bedeutet das in Indien heute oft nicht mehr, als dass diese Person kritische Bemerkungen über die amtierende Regierung gemacht hat. Es handelt sich hier um eine begriffliche Verwechselung: Gegen die Regierung zu sein, ist nicht dasselbe, wie antinational zu sein – und umgekehrt. Die Gerichte konnten in manchen Fällen einige dieser Praktiken unterbinden, aber angesichts der langsam mahlenden Mühlen der Justiz und der Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Obersten Gerichtshofs Indiens war das nicht immer ein wirksames Gegenmittel.
Die Menschenrechte des Einzelnen wurden in Indien auf ganz unterschiedliche, vielfältige Art eingeschränkt. Organisationen – nationale wie internationale –, die hart für die Rechte des Einzelnen kämpfen, sind zunehmend unter Druck geraten. Einer der bekanntesten Menschenrechtsverteidiger der Welt, Amnesty International, war aufgrund staatlicher Interventionen – dazu gehörte auch die Schließung seines Bankkontos – gezwungen, Indien zu verlassen.
Wenn jemand als „antinational“ bezeichnet wird – ein großer philosophischer Vorwurf –, so bedeutet das in Indien heute oft nicht mehr, als dass diese Person kritische Bemerkungen über die amtierende Regierung gemacht hat.