Illustration: Vor gelbem Hintergrund stehen zwei Fußballtore. Links steht ein größeres Tor. Dahinter sitzen Zuschauer. Das kleinere Tor auf der rechten Seite ist ohne Zuschauer. Das Bild wird von dem Schriftzug "Mulheres no campo" überdeckt.

Die Last des Steuerzahlers und Dribbling mit Vorur­teilen

Lange Zeit wurde der Fußball in Brasilien als Symbol für Demokratie, brasilianische Kultur und Identität empfunden. Vor der Fußball-WM der Männer 2014 gab es in den brasilianischen Metropolen jedoch Proteste gegen das Großereignis. Warum? Und: Welche Rolle spielt der Frauenfußball?

Zur Zeit des Confederations Cup 2013 hatten Preissteigerungen für öffentliche Verkehrsmittel in São Paulo und in anderen brasilianischen Städten erste Demonstrationen provoziert. Mit Hilfe sozialer Medien wurden Informationen verbreitet und landesweite Proteste organisiert. Die Protestierenden kritisierten die hohen Ausgaben von Steuergeldern für die Fußballweltmeisterschaft der Männer, insbesondere, weil es an staatlichen Investitionen in Bereichen der öffentlichen Gesundheit und Bildung fehlte. Nicht alle Investitionen in einige der neuen Fußballstadien schienen in den Augen der Brasilianer gerechtfertigt.

Darüber hinaus wurden arme Viertel in Rio de Janeiro oder São Paulo von den städtischen Zentren an die Ränder gedrängt. Diese Veränderungen der Stadt rechtfertigte man mit dem Bau von Infrastruktur für Sportereignisse. Es ist nicht überraschend, dass „Weltmeisterschaft für die Reichen“ und „Es wird keine Weltmeisterschaft geben“ Slogans bei Demonstrationen waren. Die Tatsache, dass sich nur ein kleiner, wohlhabender Teil der Brasilianer die lokalen Ticketpreise leisten und die Spiele in den neu erbauten oder renovierten Fußballstadien sehen konnten, schien diese kritischen Slogans zu bestätigen.

Personen und Gruppen, die Korruption und Gewalt der brasilianischen Polizeikräfte vor 2013 verurteilt hatten, fühlten sich durch die staatliche Politik während der Fußballweltmeisterschaft der Männer bestätigt. Einige von ihnen nahmen die öffentliche Aufmerksamkeit, die durch die Großereignisse erregt worden war, insbesondere durch die internationalen Medien, als vorteilhaft wahr, um politischen und sozialen Wandel zu fordern. Andere bezweifelten die positive Wirkung internationaler Ereignisse auf die politische Situation in ihrem Land. Eine andere Gruppe stimmte nicht mit den kritischen Stimmen überein oder fühlte sich sogar von protestierenden Gruppen gestört. Als die Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft der Männer näher rückte, nahmen die Proteste in den Metropolen Brasiliens ab. Die soziale Unzufriedenheit und die politischen Spannungen verschwanden jedoch nicht.

Die Fußballweltmeisterschaft der Männer 2014, in wirtschaftlicher Hinsicht das weltweit wichtigste Sportereignis, manifestierte auf symbolische Weise ein anderes konfliktgeladenes gesellschaftliches Thema: die tief greifenden Genderungleichheiten in Brasiliens Nationalsport. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts waren Frauen eine Minderheit im brasilianischen Fußball.

 

Ein Mann mit Kleidung mit der brasilianischen Flagge geht an Bereitschaftspolizisten vorbei, als er am 23. Juni 2014 in der Avenida Paulista in São Paulo gegen die Ausgaben für die Fußballweltmeisterschaft 2014 protestiert.
Protestierende kritisieren die hohen Ausgaben von Steuergeldern für die Fußballweltmeisterschaft der Männer, Foto: Tiago Mazza Chiaravalloti / Pacific Press via picture alliance

Weibliche Spieler bekamen keine gesellschaftliche Unterstützung. Zwischen 1941 und 1979 verbot ein Gesetz brasilianischen Frauen sogar, Fußball zu spielen. Heutzutage gibt es, trotz positiver Veränderungen, immer noch zu wenig Wissen über Frauenfußball und Vorurteile über weibliche Spieler sind in der brasilianischen Gesellschaft verbreitet.

Wie in vielen anderen Ländern der Welt gibt es in Brasilien kaum Berichterstattung in den Medien über internationale Wettkämpfe im Frauenfußball wie zum Beispiel über die Fußballweltmeisterschaft der Frauen. Trotz der großen Popularität des Fußballs erhalten Profispielerinnen wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Der Frauenfußball wird oftmals als weniger attraktiv und dem Spiel der Männer unterlegen dargestellt.

In den Jahren 2014 und 2016 versuchten jedoch Repräsentanten brasilianischer Frauenfußballklubs und der Zivilgesellschaft von der Publicity der männerdominierten Großereignisse des Sports in ihrem Land zu profitieren.

 

Eine ungleiche Geschichte

Ein paar Worte zur Geschichte des brasilianischen Frauenfußballs: Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Fußball in Südamerika und Brasilien durch englische Kaufleute eingeführt. In den ersten Jahren spielten nur weiße brasilianische Mittel- und Oberschichten. In den folgenden Jahrzehnten, vor allem in den 1920er Jahren, öffneten sich Fußballklubs immer mehr für Mitglieder niedrigerer sozialer Klassen und von afrobrasilianischer Herkunft. Dies war angesichts der großen Unterschiede zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Klassen zur damaligen Zeit bemerkenswert. Nur einige Jahrzehnte zuvor waren die Afrobrasilianer, durch die Abschaffung der Sklaverei 1888, zu brasilianischen Bürgern geworden.

In den 1920er Jahren waren die Afrobrasilianer immer noch nicht voll integriert und hatten in der brasilianischen Gesellschaft unter Diskriminierungen zu leiden. Doch angefangen mit den 1930er und 1940er Jahren wurde der Fußball immer populärer und zunehmend als Raum betrachtet, in dem Menschen verschiedener sozialer Klassen und Hautfarben zusammenkommen konnten. Der brasilianische Fußball wurde wahrgenommen als Symbol für Demokratie, brasilianische Kultur und Identität. Nichtsdestotrotz waren Frauen beinahe seit der Einführung des Fußballs in Brasilien ausgeschlossen. Doch es gab Frauen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts Fußball spielten.

Die Vorherrschaft von Vorurteilen gegen Frauenfußball und die Dominanz männlicher Vertreter behindern die weitere Entwicklung des Frauenfußballs in Brasilien.

Zeitungen in São Paulo berichteten 1913 zum ersten Mal über Fußballspiele zwischen weiblichen Teams. Doch Frauen stellten eine Minderheit dar und wurden von der Gesellschaft nicht unterstützt. Als die Medien über Frauenfußballspiele berichteten, wie es zum Beispiel in den 1940er Jahren in Rio de Janeiro der Fall war, nutzten Journalisten eine spöttische Sprache und Zweideutigkeit. Frauenfußball wurde nicht ernst genommen.

Zur gleichen Zeit wurde über die Position der Frauen in der Gesellschaft und ihre Teilnahme am Sport im öffentlichen Raum Brasiliens wie auch in anderen Ländern weltweit diskutiert. Eine Mehrheit, die sich durch ein patriarchalisches Denken auszeichnete, hielt Frauen für körperlich schwach und Männern allgemein unterlegen. Die Ausübung körperlich fordernder Sportarten wie Fußball oder Boxen wurde als unvereinbar mit der „weiblichen Natur“ betrachtet. Im Jahr 1941 verbot der Nationale Brasilianische Sportrat Frauen per Gesetz, Fußball zu spielen.

Das Gesetz galt beinahe 40 Jahre lang und sorgte für eine Stigmatisierung des Frauenfußballs in der brasilianischen Gesellschaft. Sogar nach der Abschaffung des Gesetzes 1979 wurde Frauenfußball immer noch heftig kritisiert. In den 1980er und 1990er Jahren waren Beschreibungen zum körperlichen Erscheinungsbild der Spielerinnen in den Berichten der Medien über Spiele weiblicher Teams verbreitet. Einerseits stellten Journalisten Sportlerinnen als sexuelle Objekte dar. Andererseits wurden Fußballerinnen als „männlich“ bezeichnet und es wurde über ihre Sexualität spekuliert. Ihre sportlichen Leistungen erregten nur wenig Aufmerksamkeit.

Nichtsdestotrotz wurden mit Beginn der 1980er Jahre Amateur-Fußballmannschaften und Wettkämpfe für Frauen in vielen brasilianischen Städten gegründet. In wenigen Orten wie São Paulo oder Rio de Janeiro gründeten sich sogar professionelle oder halbprofessionelle Frauenmannschaften. In den 1990er und 2000er Jahren nahm das brasilianische Frauennationalteam erfolgreich an internationalen Wettbewerben teil, wie zum Beispiel an den Olympischen Spielen 2004. Die Brasilianerin Marta Vieira da Silva gewann fünf Mal den Titel der weltweit besten Fußballerin.

Im Jahr 1941 verbot der Nationale Brasilianische Sportrat Frauen per Gesetz, Fußball zu spielen.

Heutzutage kritisieren Vertreter brasilianischer Frauenfußball-Verbände, trotz der sehr positiven Ergebnisse in internationalen Wettbewerben, immer noch einen Mangel an Knowhow im Frauenfußball. Die Vorherrschaft von Vorurteilen gegen Frauenfußball und die Dominanz männlicher Vertreter behindern die weitere Entwicklung des Frauenfußballs in Brasilien.

Im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft der Männer 2014 und den Olympischen Spielen 2016 richtete sich die Aufmerksamkeit der Medien auf die brasilianischen Sportlerinnen. In Rio de Janeiro organisierten die Nichtregierungsorganisation Rede de desenvolvimento humano (REDEH) und der soziale Fußballklub Estrela Nova eine Ausstellung sowie Sportaktivitäten für Jugendliche im Juni und Juli 2014. REDEH wurde 1990 gegründet und setzt sich für Umweltpolitik und Frauenrechte ein. In den 2000er Jahren fing die Nichtregierungsorganisation damit an, zu Sportthemen zu arbeiten. REDEH erkannte den Sport als einen Raum in der brasilianischen Gesellschaft, der immer noch von Gender-Hierarchien bestimmt ist; die Fußballweltmeisterschaft erschien also als günstiger Moment, um diese Ungleichheiten öffentlich zu diskutieren. Seit der Gründung 2009 kämpft Estrela Nova für die Stärkung des Frauenfußballs in Rio de Janeiro. Der Fußballklub bietet Training für Jungen und Mädchen aus ärmeren Vierteln.

 

Engagement in armen Stadtvierteln

In ihrer Ausstellung „Mulheres no campo: driblando o preconceito“ (Übersetzung: „Frauen auf dem Fußballfeld: Drippling mit Vorurteilen”) im Museu da República im Zentrum von Rio de Janeiro riefen REDEH und Estrela Nova die Geschichte des brasilianischen Frauenfußballs in Erinnerung. Zum Beispiel war das Frauenteam Esporte Clube Radar das erste weibliche Team in Brasilien, das in den 1980er Jahren erfolgreich an internationalen Fußballwettbewerben teilgenommen hat. Doch das Team aus Rio de Janeiro wurde lange Zeit in historischen Narrativen über den brasilianischen Fußball, in Monografien oder in den nationalen Fußballmuseen nicht erwähnt. Die Organisatoren der Ausstellung versuchten, die Errungenschaften der weiblichen Teams sichtbarer zu machen.

Darüber hinaus organisierten REDEH und Estrela Nova Wettkämpfe für Jungen und Mädchen. Während dieser Fußballspiele wurde die übliche Trennung der Geschlechter im Fußball aufgehoben.

Drei Spielerinnen der brasilianischen Fußballnationalmannschaft stehen auf dem Platz und jubeln.
Im Zusammenhang mit der WM der Männer 2014 und den Olympischen Spielen 2016 richtete sich die Aufmerksamkeit der Medien zunehmend auf die brasilianischen Sportlerinnen, Foto: Pressefoto ULMER via picture alliance

Indem man Jungen und Mädchen zusammen spielen ließ, versuchten die Nichtregierungsorganisationen Vorurteile auf dem Fußballfeld abzubauen. Die Jungen sollten die Mädchen als ebenbürtige Spieler wahrnehmen. Da dies in Rio de Janeiro stattfand, ein Schauplatz mehrerer Weltmeisterschaftsspiele, erregten die Ausstellung und die Sportaktivitäten die Aufmerksamkeit einheimischer und ausländischer Journalisten.

Andere Nichtregierungsorganisationen und öffentliche Institutionen profitierten ebenfalls von sportlichen Großereignissen in Brasilien. Im Mai 2015 eröffnete das nationale Fußballmuseum in São Paulo, das Museu do Futebol, eine neue Ausstellung über die Geschichte der Frauen im brasilianischen Fußball. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Museum, das 2008 gegründet worden war, fast ausschließlich Männerfußball und männliche brasilianische Spieler präsentiert. Nun zeigen neue Ausstellungen die Geschichte von Frauenteams und von Sportlerinnen. Zeitungsartikel illustrieren die Jahre, in denen männliche Journalisten und Ärzte für den Ausschluss der Frauen aus dem brasilianischen Fußball plädierten, und in denen es Frauen in den 1940er Jahren verboten wurde, zu spielen. Auf ähnliche Weise wie die Kuratoren der Ausstellung in Rio de Janeiro profitierten die Akademiker des Museums in São Paulo von den neueren sportlichen Großereignissen in ihrem Land, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen.

Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2016 verfolgt REDEH eine ähnliche genderpolitische Strategie wie während der Fußballweltmeisterschaft der Männer. In vielen olympischen Disziplinen wurden Frauen in der Vergangenheit diskriminiert. Heutzutage sind Sportlerinnen in vielen Sportarten in Brasilien wie auch in anderen Ländern weltweit immer noch eine Minderheit. Im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen im August 2016 plant die Nichtregierungsorganisation, das Potenzial der Frauen im Sport durch ein Bildungsprogramm sichtbar zu machen.

Aber nicht nur brasilianische Aktivisten, auch internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nutzen sportliche Großereignisse in Brasilien, um über soziale und genderbedingte Ungleichheiten in Fußball und Gesellschaft zu diskutieren. Zum Beispiel organisierte die deutsche Nichtregierungsorganisation Discover Football während der Fußballweltmeisterschaft der Männer 2014 eine Ausstellung und ein Trainingslager für Mädchen aus sozial marginalisierten Vierteln in Rio de Janeiro. Anschließend veröffentlichte Discover Football auf ihrer Webseite Informationen zu diesen Events. Die Nichtregierungsorganisation führte ihren internationalen Kampf für Frauenfußball und Frauenrechte in Brasilien fort. Und so wurden Brasilien und besonders Rio de Janeiro zu Bühnen für das nationale und internationale genderpolitische Engagement.

Der Fußball der brasilianischen Frauen profitiert nicht nur von sportlichen Großereignissen wegen medialer und politischer Aufmerksamkeit, sondern auch auf der materiellen Ebene. Der Weltfußballverband Fifa stellte Brasilien zusätzliche Mittel zur Verfügung, um den Wettkampf des Männerfußballs auszurichten. Ein Teil dieser Mittel musste für die Entwicklung genderspezifischer Sportprogramme und des Frauenfußballs eingesetzt werden.

Neben der Organisation von Wettkämpfen für Nachwuchsspielerinnen förderte die Brasilianische Fußballföderation Fußballprojekte für Mädchen, wie zum Beispiel Estrela Nova mit Sachspenden.

Aus der Perspektive von Estrela Nova hatten die Spenden auch einen wichtigen immateriellen Wert und eine motivierende Wirkung. Zum ersten Mal bekam die Nichtregierungsorganisation von einer brasilianischen Fußballinstitution öffentliche Anerkennung für ihr soziales Engagement. Aber die genderspezifische Förderung durch die Fifa ist nur für eine begrenzte Zeitspanne vorgesehen. Da eine vergleichbare Förderung von der Brasilianischen Fußballföderation selten ist, wird die Unterstützung für Frauenfußball-Verbände zukünftig wahrscheinlich nachlassen. In diesem Fall hätte die Fußballweltmeisterschaft der Männer 2014 nur einen kurzen positiven Effekt gehabt.

Brasilianische Aktivisten und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nutzen sportliche Großereignisse in Brasilien, um über soziale und genderbedingte Ungleichheiten in Fußball und Gesellschaft zu diskutieren.

Trotz allem aber wirken sich auch die Olympischen Spiele 2016 positiv auf den brasilianischen Frauenfußball aus, insbesondere auf das Nationalteam der Frauen. Seit der Gründung Ende der 1980er Jahre hat das brasilianische Nationalteam der Frauen von brasilianischen Fußballinstitutionen wenig Unterstützung erhalten, was die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen wie den Olympischen Spielen schwierig machte.

Unterbrechungen in der brasilianischen Fußballliga der Profifrauen und Auflösungen von weiblichen Teams wegen finanzieller Engpässe im Frauenfußball waren Gründe für fehlende Praxis und Wettkampferfahrung. Trotz talentierter Sportlerinnen im brasilianischen Team war der Wettkampf gegen Länder mit höchst kompetitiven Nationalligen wie USA oder Schweden hart.

Heute wird das brasilianische Team der Frauen intensiver vorbereitet als in früheren Wettkämpfen. Die Chance auf überzeugende Leistungen in den Olympischen Spielen in Brasilien hat die Finanzierung des Nationalteams der Frauen angekurbelt. Doch nachhaltige Effekte und die Finanzierung des Frauenfußballs nach den internationalen Sportwettkämpfen sind fraglich. Abgesehen davon profitiert der einheimische Amateurfußball der Frauen wahrscheinlich nicht von diesen Anreizen.

Kurz zusammengefasst: 2013 und 2014, vor der Fußballweltmeisterschaft der Männer und den Olympischen Spielen in ihrem Land, protestierten die Brasilianer gegen soziale Ungerechtigkeiten. Genderungleichheiten betreffen sehr deutlich verschiedene Bereiche der brasilianischen Gesellschaft.

Diese Ungleichheiten wurden von einer kleinen Gruppe Protestierender öffentlich gemacht. Frauenfußball-Klubs, einheimische und internationale Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler konzipierten politische Programme zu Gender-Themen und profitierten von der nationalen und internationalen Medienaufmerksamkeit während der Fußballweltmeisterschaft der Männer und vor den Olympischen Spielen.

[...] nachhaltige Effekte und die Finanzierung des Frauenfußballs nach den internationalen Sportwettkämpfen sind fraglich.

Es ist ihnen gelungen, das öffentliche Bewusstsein für Genderungleichheiten im brasilianischen Sport und insbesondere im Fußball zu schärfen, und über Frauenrechte zu diskutieren. Der Frauenfußball profitierte auch von Brasiliens Gastgeberrolle für internationale sportliche Großereignisse, da einige Gruppen und Organisationen zusätzliche Förderungsmittel erhielten.

Doch trotz der positiven Auswirkungen sportlicher Großereignisse ist die Förderung des Frauenfußballs wahrscheinlich nicht von langer Dauer. Zudem ist die Investition in den Frauenfußball in Brasilien im Vergleich zum Männerfußball immer noch unbedeutend. Denkt man an frühere politische Massenproteste, so scheinen viele soziale und politische Themen im Vorfeld der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro noch ungelöst. Es ist immer noch unklar, wie sich die politische und gesellschaftliche Dynamik bis August 2016 entwickeln wird. Wenn es neue Protestbewegungen gibt, spielen sportliche Großereignisse vielleicht wieder eine bedeutende Rolle.

Über die Autorin
Julia Haß
Kulturanthropologin

Julia Haß ist Lateinamerikanistin und Kulturanthropologin. Sie promoviert zu Geschlechterverhältnissen im brasilianischen Frauenamateurfußball und ist assoziierte Doktorandin des Internationalen Graduiertenkollegs „Zwischen Räumen" am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin. Bis Januar 2022 arbeitete sie in einem Forschungsprojekt zu Fußball, Gender und Transkulturalität in Brasilien.

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