Illustration: Figur lässt ihre Maske fallen

Die Lehren von Kabul

Nach dem Scheitern des Westens in Afghanistan ist offensichtlich: Kulturelle Außenpolitik muss entweder langfristig angelegt sein oder erklären, dass sie zeitlich begrenzt ist und nur Selbsthilfe und Resilienz unterstützt. Was ist sonst noch wichtig?

Die Bilder schockierten die Welt. Die Szenen von Chaos und Verzweiflung auf dem internationalen Flughafen von Kabul gingen um den Globus. Tausende von Afghan:innen, die in Panik versuchen, aus dem Land zu fliehen, nachdem die Taliban die Macht übernommen haben. Menschentrauben, die sich an Flugzeuge klammern. US-Militärpilot:innen, die abheben und Menschen Hunderte von Metern in den Tod stürzen lassen. Zehntausende werden zurückgelassen. 

Pro Afghanistan Demonstration © Daniel Kubirski via Picture Alliance

In Europa gab es sofort einen verständlichen Aufschrei: Wie konnten die Europäer:innen Mitglieder der Zivilgesellschaft im Stich lassen, mit denen sie zwei Jahrzehnte daran gearbeitet hatten, ein demokratisches Afghanistan aufzubauen? Die Ereignisse am Hindukusch sind wahrlich historisch und weltverändernd. Ihr Ausmaß und ihre Folgen sind noch nicht vollständig abzuschätzen. Der deutsche Politikwissenschaftler Herfried Münkler sieht eine historische Zäsur: "Seither ist nichts mehr so, wie es einmal war." 

Schon jetzt scheint klar zu sein, dass der "Westen" – und damit auch Europa – auf der Weltbühne deutlich an Glaubwürdigkeit verloren hat. Auch zahlreiche Stimmen aus dieser so genannten westlichen Welt stellten die gesamte Agenda in Afghanistan in Frage – nicht zuletzt den Versuch, eine afghanische Zivilgesellschaft nach westlichem Vorbild aufzubauen. 

Düsteres Bild

Die Ereignisse in Afghanistan und das düstere Bild, das unter anderen Münkler entwirft, geben offensichtlich Anlass, die Bedingungen der Auswärtigen Kulturpolitik zu hinterfragen. In den letzten Monaten sind Künstler:innen, Medienschaffende, Lehrernde, Aktivist:innen aus Angst um ihr Leben aus dem Land geflohen oder untergetaucht. Und das sind nur einige Gruppen, die mit westlichen Organisationen zusammengearbeitet haben und teilweise von ihnen ausgebildet wurden. 

Warum hat man ihnen 20 Jahre lang Hoffnungen gemacht? War es sinnvoll, der Zivilgesellschaft durch außenkulturpolitische Maßnahmen helfen zu wollen, wenn alles, was aufgebaut wurde, wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen droht? Sollte die Auswärtige Kulturpolitik und die Hilfe für die Zivilgesellschaft grundlegend neu ausgerichtet werden und wenn ja, in welche Richtung? Gab es auch Aktivitäten, die die afghanische Gesellschaft positiv verändert haben und die nachhaltig wirken werden? 

Endgültige Antworten gibt es nicht, aber es gibt vorläufige Hinweise, welche Lehren nach der Machtübernahme durch die Taliban Mitte August 2021 zu ziehen sind, welche Herausforderungen vor uns liegen und wie sie zu bewältigen sind. Die Erkenntnisse und Vorschläge beruhen auf einer Auswertung der einschlägigen Literatur, einer genauen Beobachtung der aktuellen Ereignisse in Afghanistan und – was am wichtigsten ist – auf rund einem Dutzend Interviews mit relevanten afghanischen und europäischen Akteur:innen sowie der Podiumsdiskussion "Europe's debacle in Afghanistan", die am 21. November 2021 von Élan – Ideen für Europa und dem ifa durchgeführt wurde. Dort diskutierten Jasamin Ulfat, Dozentin für Postcolonial Studies an der Universität Duisburg-Essen, Rahmatullah Amiri, freiberuflicher Berater und Forschungskoordinator bei The Liaison Office (TLO) und Tareq Sydiq, Dozent am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg.

Die Afghanische Flagge auf einer Steinwand.
Ein maßstabsgetreuer Staatsaufbau nach dem Vorbild der westlichen Demokratie ist in Afghanistan gescheitert. © iStock

Eine der wichtigsten vorläufigen Lehren aus Afghanistan ist, dass ein maßstabsgetreuer Staatsaufbau nach dem Vorbild der westlichen Demokratie gescheitert ist. Einer der Hauptgründe für dieses Scheitern besteht darin, dass über 20 Jahre lang fast alle Fraktionen der Taliban in Afghanistan vom Dialog ausgeschlossen waren. Wie der ehemalige Präsident Hamid Karzai erklärte, sollten sie bereits auf der Bonner Konferenz 2001 einbezogen werden, als die Zukunft Afghanistans skizziert wurde. Die Taliban zeigten sich damals in einer Position der militärischen Schwäche bereit, zu verhandeln.  

Einer der Hauptgründe für dieses Scheitern besteht darin, dass über 20 Jahre lang fast alle Fraktionen der Taliban in Afghanistan vom Dialog ausgeschlossen waren.

Erfahrungen in anderen Teilen der Welt haben gezeigt, dass Konflikte nicht gelöst werden können, wenn wichtige Akteur:innen und bedeutende Teile der Bevölkerung von politischen und gesellschaftlichen Prozessen ausgeschlossen werden. Hier sollte man eine feine Grenze ziehen. Mit einigen extremistischen Gruppen wie dem IS sind keine Verhandlungen möglich. Eine beträchtliche Zahl von Mitgliedern extremistischer Gruppen ist jedoch bereit, auf Gewalt zu verzichten, auch wenn sie sich zu einigen nicht verhandelbaren 'heiligen' Werten bekennen.

Die Befragten nannten weitere Gründe, warum es gescheitert ist, die Zivilgesellschaft effektiv zu unterstützen, darunter

  • die Unfähigkeit zu verstehen, dass Kampagnen für Frauenrechte als westliche Propaganda wahrgenommen wurden, weil sie nicht auf islamische Art formuliert waren,  
  • eine einseitige Ausrichtung auf städtische Eliten statt eines effizienten Engagements auf dem Land,  
  • und die "Monetarisierung" von Projekten, die eine opportunistische Beziehung geschaffen hat, um Einkommen zu erzielen, aber keine sinnvolle langfristige Förderung von Eigenständigkeit und Empowerment. Die Projekte wurden eingestellt, als die Finanzierung endete.  

Rückblickend zweifelten die Afghan:innen zu Recht am langfristigen Engagement der Europäer:innen. Sie zögerten daher, sich einzusetzen, da sie Vergeltungsmaßnahmen der Taliban fürchteten, sobald die Europäer:innen abgezogen sein würden. 

Vollständiger Aufbau einer Nation

Eine Schublade voller Unterlagen, die mit Etiketten sortiert sind.
Die Afghan:innen zweifelten zu Recht am langfristigen Engagement der Europäer:innen. © Olivier Le Moal via iStock

Die kulturelle Außenpolitik und die Unterstützung der Zivilgesellschaft durch liberale Demokratien muss klare Ziele und einen Rahmen haben, der ihren politischen Prioritäten und dem Sicherheitsumfeld entspricht. Kulturelle Außenpolitik muss entweder langfristig angelegt sein oder ausdrücklich erklären, dass die Unterstützung zeitlich begrenzt und nur dazu da ist, die Fähigkeit zur Selbsthilfe und Resilienz zu fördern. 

Die anfänglichen Ziele in Afghanistan waren nicht klar und entwickelten sich später zum ehrgeizigen Aufbau eines ganzen Staates. Herfried Münklers pessimistische Einschätzung, "Afghanistan ist der Anfang vom Ende einer westlichen globalen Vorstellung von einer Weltordnung, die 'auf Werten beruht und sich an Normen orientiert'", scheint eher auf die aufgezwungene Methode des State- oder Nation-Buildings zuzutreffen.

Das bedeutet aber nicht, dass die auf diesen Werten und Normen beruhende kulturelle Außenpolitik zurückgefahren werden sollte oder dass diese Werteordnung irrelevant ist. Sie sollte stattdessen mit einer Theorie des Wandels arbeiten, die bescheidenere Ziele verfolgt. Nämlich eine schrittweise Verbesserung in den wichtigsten Bereichen, in denen die Zivilgesellschaft in der ganzen Welt die gleichen grundlegenden Ziele zu verfolgen scheint:  

  • Rechtsstaatlichkeit,  
  • ein gewisses Maß an sozialer Gerechtigkeit und staatlicher Rechenschaftspflicht,  
  • Formen der öffentlichen Beteiligung,  
  • Bildung  
  • und verschiedene Grade der Selbstdarstellung, Widerstandsfähigkeit und Selbstermächtigung in einem schwierigen Umfeld. 

Auch wenn die Afghanistanmission gescheitert ist, ganz umsonst war sie nicht. Im Gegenteil: Es gibt Grundlagen, auf denen man aufbauen kann. Afghanistan ist nicht mehr das Land von vor 20 Jahren, bevor die westliche Intervention und die damit verbundene kulturelle Außenpolitik die heutige Zivilgesellschaft geschaffen haben. Die überwiegend städtische Zivilgesellschaft ist wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen für die Taliban-Herrschaft. Rund eine Million afghanische Studierende besuchten Universitäten. Frauen hatten in der immer noch stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft Zugang zu Bildung und waren in allen Berufsfeldern vertreten. Mutige, von Frauen angeführte Proteste haben bereits gezeigt, dass sich die afghanische Gesellschaft deutlich verändert hat. 

Eine Stimme unseres Podiums betonte: "Die Taliban haben bereits in den 1990er Jahren erfahren, dass es schwierig ist, zu regieren, wenn es keine Frauen als Beamte gibt." Heute brauchen sie die Frauen noch dringender, da die Bevölkerung außerordentlich wächst. Auch wenn genaue Zahlen nur schwer zu bekommen sind: Die Bevölkerung des Landes hat sich von 20 Millionen im Jahr 2001 auf fast 40 Millionen im Jahr 2021 nahezu verdoppelt. Derselben Stimme zufolge wird es folglich eine Art "Kompromiss" zwischen ideologischen Überzeugungen und effizientem Regieren geben müssen, auch wenn dies zu internen Spannungen zwischen verschiedenen Fraktionen der Bewegung führt.

Foto von hinten von vier afghanischen Frauen, die an Tischen vor PCs sitzen.
Mutige, von Frauen angeführte Proteste haben bereits gezeigt, dass sich die afghanische Gesellschaft deutlich verändert hat. © pixabay

Wie ein anderer Redner betonte, trägt es auch unter sehr schwierigen Umständen Früchte, wenn Journalist:innen ausgebildet und Medien gefördert werden: "Bürgerjournalismus, Bürger:innen, die vor Ort berichten, auch ohne institutionelle Unterstützung". Afghanistan befinde sich im digitalen Zeitalter, mit "Privatpersonen, die in Blogs oder auf YouTube großartige Arbeit leisten". 

Auch die öffentliche Äußerung von Dissens scheint noch möglich. Universitätsprofessor Faizullah Jalal, der seit Jahren in Debatten im populärsten Fernsehsender Afghanistans die afghanischen Regierungen kritisiert, hat auch die Taliban nicht verschont. In der Sendung Tolo News kritisierte er sie hinsichtlich der Sicherheits- und Wirtschaftslage des Landes heftig. Er ging sogar so weit, den anwesenden Taliban-Sprecher als "Kalb" zu bezeichnen, ein afghanischer Ausdruck für dumm. Der Clip ging in den sozialen Netzwerken viral. Bislang hat es keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Professor gegeben.

Foto von einem Smartphone. Auf dem Bildschirm erkennt man verschiedene social media apps.
Die Sozialen Medien geben der Zivilbevölkerung eine Stimme. © Nathan Dumlaou via unsplash

Die Taliban sind auf gut ausgebildete afghanische Frauen und Männer angewiesen, um das Land zu regieren, wenn sie eine humanitäre Katastrophe vermeiden und die Armut nicht noch weiter verschärfen wollen. Noch verfügt die Zivilgesellschaft über eine gewisse Verhandlungsmacht. Wie viel, bleibt abzuwarten.

Klar ist auch: Wenn Afghanistan einen erneuten Bürgerkrieg vermeiden will, gibt es zur Taliban-Herrschaft und zum Dialog mit den Taliban keine Alternative. Die Zusammenarbeit mit den Taliban in Form dringend benötigter humanitärer Hilfe ist der Einstieg, um auch in der kulturellen Außenpolitik und bei der Unterstützung der Zivilgesellschaft kooperieren zu können. 

Bildung ist sicherlich der Türöffner, um das Land kulturpolitisch erneut zu unterstützen. Bevor diese Möglichkeiten mit den Taliban näher erörtert werden, müssen rote Linien in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte und insbesondere der Rechte der Frauen gezogen werden. Die Taliban selbst sind der Ansicht, dass sie sich seit ihrer letzten Herrschaft vor 20 Jahren weiterentwickelt haben. Wenn der Kern ihres Glaubenssystems jedoch zu sehr unter Druck gerät, könnten sie sich dem Dialog verschließen. Das könnte eine Rückkehr zu der strengen und asketischen Lebensweise nach sich ziehen, an die sie sich in zwei Jahrzehnten des Kampfes gewöhnt haben. Diese Lebensweise würden sie dann womöglich dem Rest des afghanischen Volkes aufzwingen. Nach ihrer Überzeugung könnte dies dann einfach Gottes Wille sein. 

"Jedes Dorf will eine Schule"

Spiegel-Reporter Christoph Reuter bereiste zahlreiche afghanische Provinzen, nachdem die Taliban den Wert von Bildung auch für Mädchen bestätigt hatten: Er sagt: „Jedes Dorf will eine Schule“. Auch ein ehemaliger Leiter einer deutschen Stiftung in Afghanistan betonte, dass das Land vor allem grundlegende Bildung brauche: „Mehr Menschen, die lesen und schreiben können, und diejenigen, die lesen können, brauchen mehr Anreize und Materialien, um dies zu tun.“ 

Selbst in ländlichen Gebieten scheinen die Afghan:innen bereit zu sein, sich in der Bildungsfrage mit den Taliban anzulegen und damit zu beweisen, dass es im ganzen Land eine Form von Zivilgesellschaft gibt. Einer der Teilnehmer erzählte: "In einem kleineren Dorf fand eine Abschlussfeier statt: Mädchen melden sich zu Wort und wollen sich zum Thema Bildung äußern, was von einem anwesenden Taliban-Beamten verhindert wird. Dann steht ein Mann auf. Ein Dichter, der die Mädchen unterstützt, [...] der Mann wird verhaftet, aber das Dorf akzeptiert das nicht. Sie sagen, er habe nichts Falsches getan. Alles, was er gesagt habe, sei auch völlig islamisch [...] die Taliban lassen den Dichter schließlich frei und entschuldigen sich sogar dafür, die Situation eskaliert zu haben".

Foto von einer Gruppe Kinder die auf dem Boden sitzen. Sie haben Bücher vor sich und hören aufmerksam zu.
Afghanistan braucht vor allem eine grundlegende Bildung.© pixabay

Wie ein Mitglied der Zivilgesellschaft betonte, sind die Taliban nicht bereit, politische Aktivitäten zu akzeptieren. Sie scheinen bisher aber ergebnisorientiert zu sein, wenn es um praktische Verbesserungen für die afghanische Bevölkerung geht. Im Rahmen scheinbar unpolitischer Aktivitäten können zum Beispiel Wettbewerbe über alltägliche Belange wie Abfall- oder Wasserwirtschaft, unabhängiges Denken und die Achtung der Menschenrechte gefördert werden. 

Generell sollten Aktivitäten mit afghanischen und islamischen Bezügen gefördert werden, die für die Denkweise der Taliban akzeptabel sind. Frauenrechte können beispielsweise durch den Verweis auf die Ehefrauen des Propheten Mohammed und die relativen Freiheiten der Frauen in Saudi-Arabien und im Iran gefördert werden. Sie haben mehr Rechte als Frauen unter dem früheren Taliban-Regime. Wie ein Teilnehmer feststellte "müssen die einzigen fortschrittlichen Ideen, die in der afghanischen Gesellschaft verankert werden können, in irgendeiner Weise auf das interne kulturelle Erbe Afghanistans und/oder des Islams Bezug nehmen." 

In diesem Zusammenhang können viele Schauplätze erkundet werden. Herat war beispielsweise über Jahrhunderte hinweg ein wichtiges kulturelles Zentrum. Die Afghan:innen wissen auch sehr wenig über die Bedeutung historisch wichtiger islamischer Städte wie Buchara oder Samarkand im benachbarten Usbekistan. Dabei ist ein beträchtlicher Teil der afghanischen Bevölkerung usbekisch. Noch bezeichnender ist die Tatsache, dass die Afghan:innen nur sehr wenig von den Errungenschaften des goldenen Zeitalters der arabisch-islamischen Kultur in den Wissenschaften wie Mathematik, Geografie, Astronomie, Medizin, in der Architektur oder Literatur wissen, obwohl sie sehr an ihrer Religion hängen. 

Mit den Taliban zusammenarbeiten

Es gibt auch klassische Kunstformen, über die wir uns mit den Taliban auseinandersetzen können, wie die Poesie, oder zeitgenössische Ausdrucksformen wie die Komödie. In beiden können kritische Stimmen akzeptiert werden. Das Zusammenspiel von neuen und traditionellen Medien bietet einzigartige Möglichkeiten in Bezug auf Bildung, aber auch auf die Menschenrechte. Deutsche Welle-TV, Radio und Internet können hier eine wichtige Rolle spielen. Auch unabhängige Initiativen sollten gefördert werden. Sie können regionale zivilgesellschaftliche Akteur:innen vernetzen, was einer der Befragten für eine der effektivsten Möglichkeiten des Engagements hält, wenn "feministische Gruppen aus den Nachbarländern […] feministische Gruppen in Afghanistan unterstützen". Die Taliban haben auch Interesse bekundet, im Hochschulbereich zusammenzuarbeiten. Die Ausweitung der Programme des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) geht in die richtige Richtung. 

Die Diaspora kann mächtige Vermittler:innen hervorbringen, die aktiv über Themen diskutieren, die in Afghanistan nicht angesprochen werden können: Aktivist:innen, Journalist:innen und Künstler:innen wie Musiker:innen, die von der afghanischen Bevölkerung verehrt und von den Taliban verabscheut werden.

Foto von Kabul bei Nebel
Kabul © Farid Ershad via unsplash

Der Einfluss der Diaspora muss jedoch relativiert werden, da sie durch ihre Zusammenarbeit mit dem korrupten 'Interventionsregime' an Glaubwürdigkeit verloren hat, wie einer der Podiumsteilnehmer:innen unterstreicht. 

Angesichts des zunehmenden Engagements nicht-demokratischer Akteure wie China und der Türkei muss das europäische und deutsche Engagement in der Auswärtigen Kulturpolitik und der Unterstützung der Zivilgesellschaft unbedingt beibehalten und sogar ausgebaut werden. Hier ist es wichtig, dass die Europäische Union in der Auswärtigen Kulturpolitik stärker zusammenarbeitet. 

Die Frage der Sicherheit bleibt entscheidend. Ländliche Gebiete in Afghanistan wurden auch aus Sicherheitsgründen vernachlässigt. Mit dem Abzug ihrer Truppen haben die Vereinigten Staaten die Europäer:innen vor vollendete Tatsachen gestellt. Für Europa ist die strategische Autonomie eine der großen politischen Herausforderungen der Zukunft, auch für die kulturelle Außenpolitik. 

Über den Autor
Portrait von Asiem El Difraoui
Asiem El Difraoui
Politikwissenschaftler, Wirtschaftswissenschaftler, Dokumentarfilmregisseur und -produzent

Dr. Asiem El Difraoui ist Politologe und Buch- und Dokumentarfilmautor. Seine Spezialgebiete sind unter anderem Präventions- und Deradikalisierungsthematiken. 2019 war er Leiter eines Projektes für das BAMF zur Entwicklung eines Qualifizierungslehrgangs und eines Sachbuchs zur Ausstiegsarbeit aus dem islamischen Extremismus. 2021 erschien sein Buch „Die Hydra des Dschihadismus“ bei Suhrkamp. Er ist Mitgründer der CANDID Foundation in Berlin und Mitherausgeber des Magazins Zenith.

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