Eine weiße Taube wird freigelassen. Der Käfig wird von mehreren Händen gehalten.

Die Verteidigung der Menschenrechte

2020 hat die Europäische Union den dritten Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie verabschiedet. Seine Ziele reichen vom Schutz des Einzelnen über den Aufbau demokratischer Gesellschaften bis zu mehr Zusammenarbeit. Die Herausforderungen bleiben.

Menschenrechte im Nahen Osten und Nordafrika

Der Nahe Osten und Nordafrika bilden in vielerlei Hinsicht eine wichtige Region. Erstens liegt sie geografisch klar in unserer Nähe. Nordafrika ist unsere südliche Nachbarschaft. Der Nahe Osten liegt nahe an unserer unmittelbaren Nachbarschaft und ist ein Schlüssel zur globalen Stabilität. Vor nicht allzu langer Zeit verbreitete der IS Terror, trat die Menschenrechte mit Füßen und bedrohte die Stabilität in der Region und weltweit.

Der Syrienkonflikt ist eine der schlimmsten humanitären Krisen der modernen Geschichte. Der israelisch-palästinensische Friedensprozess ist eine weitere deutliche Erinnerung – wir müssen von einem langwierigen Prozess zu einem dauerhaften Frieden übergehen. Aber diese Region ist viel mehr als das. Sie ist auch eine Region, in der es gute Beispiele für Menschenrechte gibt und die die Europäische Union und andere inspiriert.

Die Beziehungen der Europäischen Union zum Nahen Osten und zu Nordafrika haben sich weiterentwickelt: Lag der Schwerpunkt anfangs auf wirtschaftlichen und handelspolitischen Fragen, arbeitet man jetzt breiter und umfassender zusammen, im Hinblick auf politische, strategische und sicherheitspolitische Dimensionen, einschließlich Menschenrechte und Demokratie.

In Tunesien zum Beispiel haben Reformen und demokratische Wahlen befördert, dass Frauen an politischen und öffentlichen Angelegenheiten beteiligt sind. Nach den ersten demokratischen Kommunalwahlen im Jahr 2018 waren nun 47 Prozent der gewählten Mitglieder der Gemeinderäte des Landes Frauen. In Marokko hat die Regierung den Kampf gegen Korruption durch das Gesetz über den Zugang zu Informationen sowie durch die neue Nationale Kommission gegen Korruption intensiviert. In der Golfregion wurden starke Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ergriffen und alle, auch die große Gruppe der Wanderarbeiter, wurden kostenlos gesundheitlich versorgt.

Die Beziehungen der Europäischen Union zum Nahen Osten und zu Nordafrika haben sich weiterentwickelt: Lag der Schwerpunkt anfangs auf wirtschaftlichen und handelspolitischen Fragen, arbeitet man jetzt breiter und umfassender zusammen, im Hinblick auf politische, strategische und sicherheitspolitische Dimensionen, einschließlich Menschenrechte und Demokratie. In der heutigen verflochtenen Welt sind die großen Herausforderungen, mit denen ein Land konfrontiert ist, oft globale Herausforderungen, die wir alle auf die eine oder andere Weise angehen – sei es der Klimawandel, der Umweltschutz, Ungleichheit und Diskriminierung oder die aktuelle Corona-Pandemie. Der neue EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie ist eine Gelegenheit, mit allen Ländern überall auf der Welt besser und intensiver zusammenzuarbeiten.

EU-Aktionsplan für Menschenrechte

Der EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020-2024 ist der dritte seiner Art, der von der EU angenommen wurde. Um ein Beispiel dafür zu geben, was wir erreichen wollen, möchte ich einen Überblick über einige der Maßnahmen geben, die wir während der Laufzeit des letzten Aktionsplans zwischen 2015 und 2019 ergriffen haben:

Stacheldrahtzaun vor blauem Himmel.
Die EU setzt sich dafür ein, die Todesstrafe abzuschaffen, Foto: Markus Spiske via unsplash

Wir haben uns nachdrücklich dafür eingesetzt, die Todesstrafe abzuschaffen. Die Zahl der Hinrichtungen ist seit 2015 um 58 Prozent zurückgegangen und wir haben dazu beigetragen, über 46.000 Menschen zu schützen, die gefährdet sind, weil sie sie die Menschenrechte verteidigen. Wir haben 98 Wahlbeobachtungsmissionen in die ganze Welt entsandt und wir haben unsere Handelsabkommen und Handelspräferenzen genutzt, um die Situation im Hinblick auf Menschenrechte zu verbessern und Arbeitsübereinkommen umzusetzen.

Wir verstärken unsere Bemühungen finanziell durch das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR). Dies fokussiert sich vor allem auf Nicht- EU-Mitgliedsländer, in denen die Situation der Menschenrechte ungenügend ist. Ziel ist die Unterstützung und Entwicklung von Demokratie sowie die Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Damit wurden die Mittel für die nächsten sieben Jahre auf über 1,5 Milliarden Euro aufgestockt. Dieser Aktionsplan fällt in eine Zeit, in der Menschenrechte und Demokratie vor großen Herausforderungen stehen.

Menschenrechte sind keine selektiven Vorteile; sie sind jedem Menschen angeboren. Diese Grundvoraussetzung wird jedoch in Frage gestellt. Menschenrechte und Demokratie werden in vielen Teilen der Welt beschnitten. Dies gilt umso mehr in der aktuellen Krise für unsere Gesundheit. Wir alle müssen mehr tun, denn es geht um universelle Werte und Grundsätze, um unteilbare und voneinander abhängige Menschenrechte, die allen Menschen im Nahen Osten, in Nordafrika, in Europa oder anderswo auf der Welt gleichermaßen zustehen.

Menschenrechte sind keine selektiven Vorteile; sie sind jedem Menschen angeboren.

Beim kommenden Aktionsplan geht es darum, Wege zu finden, um die Verpflichtungen und Zusagen, die alle Unterzeichnerstaaten in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie eingegangen sind, vollständig umzusetzen. Er stützt sich auf fünf Säulen:

  • Schutz und Befähigung des Einzelnen
  • Aufbau widerstandsfähiger, integrativer und demokratischer Gesellschaften
  • Förderung eines globalen Systems für Menschenrechte und Demokratie
  • Neue Technologien
  • Ziele durch Zusammenarbeit erreichen

Neue Maßnahmen für Menschenrechte

Viele Maßnahmen gehören seit vielen Jahren zu den Prioritäten unserer täglichen Arbeit, wie die Abschaffung der Todesstrafe, die Abschaffung der Folter, der Schutz von Menschenrechtsverteidigern und vieles mehr. Aber es gibt auch neue Elemente, vor allem: verstärkte Maßnahmen im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte und eine stärkere Betonung der Demokratie. Wir werden uns stärker mit dem Thema Wirtschaft und Menschenrechte befassen und den Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Umwelt stärker betonen.

Unser Ziel ist es, die Vorteile der digitalen Technologien zu maximieren und ihre Risiken zu minimieren. Wir werden weitere Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverteidiger zu stärken und zu schützen und mehr in die Kommunikation investieren, um ein besseres Bewusstsein für unsere Arbeit zu schaffen.

Ein Großteil der im Rahmen des Aktionsplans geplanten Maßnahmen wird von den mehr als 140 Delegationen der Europäischen Union in der ganzen Welt sowie den Botschaften der EU-Mitgliedstaaten durch konkrete und praktische, auf die örtlichen Gegebenheiten zugeschnittene Aktionen durchgeführt. Alle diese Delegationen und Botschaften haben Länderstrategien fertiggestellt oder sind dabei, diese zum Abschluss zu bringen, die spezifische Maßnahmen enthalten, um die Ziele auf nationaler, regionaler und multilateraler Ebene umzusetzen.

Mehrere EU-Flaggen in einer Reihe.
Mehr als 140 Delegationen der EU führen die Maßnahmen des Aktionsplans weltweit aus, Foto: Guillaume Perigois via unsplash

Kein Land hat eine perfekte Menschenrechtsbilanz. Menschenrechte zu schützen, ist und bleibt ein ständiges Unterfangen.

Ergänzt wird der Aktionsplan durch unsere Entschlossenheit, die Menschenrechte und die Demokratie im eigenen Land, in Europa, zu stärken. Der neue interne europäische Aktionsplan für Demokratie wird zusammen mit dem neuen Mechanismus, um Rechtsstaatlichkeit zu fördern, unsere Bürger weiter stärken und die Demokratien in der gesamten EU widerstandsfähiger machen und besser für das digitale Zeitalter rüsten. Denn kein Land hat eine perfekte Menschenrechtsbilanz. Menschenrechte zu schützen, ist und bleibt ein ständiges Unterfangen.

Die am 7. Dezember 2020 angenommene globale Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte sieht das Einfrieren der Vermögenswerte der in den Sanktionslisten aufgeführten Personen und Organisationen in der EU vor. Diese Maßnahme stärkt auch den Aktionsplan und war die erste, die im Rahmen dieses Plans durchgeführt wurde. Das erste umfassende Paket von Sanktionen im Rahmen dieser neuen Regelung wurde im März 2021 angenommen, darunter Sanktionen gegen zwei libysche Milizionäre, die für Tötungen verantwortlich sind sowie dafür, dass man Personen hat verschwinden lassen.

Bei dem Aktionsplan geht es nicht darum, jemandem ein Modell aufzuzwingen. Aber wir werden unsere Bedenken bei Bedarf äußern, und wir erwarten von unseren Partnern, dass sie dasselbe tun.

Als Sonderbeauftragter der Europäischen Union für Menschenrechte spiele ich eine zentrale Rolle dabei anzuleiten, wie man den Aktionsplan umsetzt. Dialog und Zusammenarbeit sind von entscheidender Bedeutung. Wir sind immer bereit, zuzuhören und eng mit anderen zusammenzuarbeiten, um an unseren gemeinsamen Problemen zu arbeiten und diese zu lösen. Bei dem Aktionsplan geht es nicht darum, jemandem ein Modell aufzuzwingen. Aber wir werden unsere Bedenken bei Bedarf äußern, und wir erwarten von unseren Partnern, dass sie dasselbe tun. Ich betone nochmals: Menschenrechte sind universell.

Wir haben mit einer Reihe von Ländern in der Region Menschenrechtsdialoge eingerichtet. Wir bemühen uns, sie auch während der Pandemie abzuhalten, wenn auch online. Vor einigen Monaten hat die Europäische Union zum Beispiel den 10. informellen Menschenrechtsdialog mit den Vereinigten Arabischen Emiraten geführt. Und wir hoffen, noch weitere ständige bilaterale Konsultationen einleiten zu können. So laufen beispielsweise Gespräche darüber, einen Menschenrechtsdialog mit Saudi-Arabien aufzunehmen.

Eine Gruppe von Läufern in Dreiecksformation auf einer Tartanbahn.
Trotz Menschrechtsdialogen steht die EU vor großen Herausforderungen, Foto: Steven Lelham via unsplash

In meiner Eigenschaft als Sonderbeauftragter für Menschenrechte habe ich mit einer Reihe von Gesprächspartnern im Nahen Osten und in Nordafrika Kontakt aufgenommen. Eine meiner letzten Missionen vor den durch die Pandemie bedingten Lockdowns führte mich nach Katar, wo ich mich ausführlich mit den Arbeitsrechten befasste.

Im vergangenen Jahr hatte ich eine Reihe von Gesprächen über den Jemen, unter anderem mit einem jemenitischen Minister und der lokalen Zivilgesellschaft. Mit meinen ägyptischen Amtskollegen tausche ich mich regelmäßig über Menschenrechtsfragen aus. Während der gesamten bisherigen Pandemie habe ich mich für die humanitäre Freilassung von gefährdeten Gefangenen in der Region eingesetzt, darunter auch inhaftierte Menschenrechtsverteidiger – in Bahrain, in Saudi-Arabien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Ägypten.

Herausforderungen für die Menschenrechte

Ich habe einige positive Beispiele genannt. Nichtsdestotrotz gibt es viele Herausforderungen. Eine davon ist die Todesstrafe. Fast 90 Prozent der bekannten Hinrichtungen im Jahr 2020 fanden in Nordafrika und im Nahen Osten statt – im Iran, in Ägypten, im Irak und in Saudi-Arabien. Allerdings sind Länder wie China oder Nordkorea nicht im Bild, da sie die Daten geheim halten. Bekanntermaßen lehnt die Europäische Union die Todesstrafe unter allen Umständen ab und unternimmt große Anstrengungen, um sie weltweit abzuschaffen. Die Todesstrafe ist eine grausame und unmenschliche Strafe, die weder von Gewaltverbrechen abhält noch zu einer sichereren Gesellschaft beiträgt.

Obwohl es in den letzten Jahren einige Fortschritte gegeben hat, sehen sich Frauen und Wanderarbeitnehmer in den Golfstaaten noch immer mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert. Die jüngsten Schritte zur vollständigen Abschaffung des so genannten Kefala-Systems in Katar oder Reformen in Saudi-Arabien, um die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen zu fördern, sind ermutigende Entwicklungen. Leider werden in der gesamten Region nach wie vor zahlreiche Menschenrechtsverteidiger, Dissidenten, unabhängige Journalisten und Blogger inhaftiert. Ich habe viele dieser Einzelfälle wiederholt zur Sprache gebracht.

Obwohl es in den letzten Jahren einige Fortschritte gegeben hat, sehen sich Frauen und Wanderarbeitnehmer in den Golfstaaten noch immer mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert.

Die Europäische Union wird sich weiterhin für die Freilassung aller Menschenrechtsverteidiger und politischen Gefangenen in der Region und darüber hinaus einsetzen. In dieser Hinsicht sieht der Aktionsplan sehr konkrete Aktionslinien vor – durch unsere Delegationen, durch Menschenrechtsprojekte und durch politisches Engagement.

Hoffnungsträger: Aktionsplan Menschenrechte

Als überzeugter Verfechter des Multilateralismus und des internationalen Menschenrechtssystems spricht die EU einige der wichtigsten Herausforderungen in der Region in Foren der Vereinten Nationen an, insbesondere im Menschenrechtsrat. Wir werden einen strategischen Dialog mit dem Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte aufnehmen, was eine gute Gelegenheit bietet, unseren Aktionsplan und einige ausgewählte Themen im Nahen Osten und in Nordafrika anzusprechen.

Nicht zuletzt möchte ich die Rolle der Zivilgesellschaft und nichtstaatlicher Akteure wie nationaler Menschenrechtsinstitutionen, Gewerkschaften, Akademiker oder Juristen hervorheben. Dies sind wichtige Akteure, die eine zentrale Rolle spielen. Ihr Beitrag und ihre aktive Beteiligung werden von grundlegender Bedeutung sein, um den Aktionsplan umzusetzen. Ich möchte all jenen danken, die sich weiterhin dafür engagieren, Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen, oft unter großen persönlichen Opfern. Da das Ende der Pandemie in Sicht ist, hoffe ich, dass der Aktionsplan auch als Sprungbrett für die Zeit nach der Corona-Epidemie dienen kann, als Sprungbrett für einen „besseren Wiederaufbau“, bei dem die Menschenrechte an erster Stelle stehen.

Über den Autor
Portrait von Eamon Gilmore
Eamon Gilmore
Sonderbeauftragter der Europäischen Union für Menschenrechte

Eamon Gilmore ist seit Februar 2019 Sonderbeauftragter der EU für Menschenrechte. Zuvor war er seit 2015 Sonderbeauftragter der EU für den Friedensprozess in Kolumbien, von 2011 bis 2014 Tánaiste (stellvertretender irischer Regierungschef) und Minister für auswärtige Angelegenheiten und Handel. 2007 bis 2014 was Gilmore Vorsitzender der irischen Labour Party. Seit 2016 ist er außerordentlicher Professor an der School of Law and Government der Dublin City University.

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