Illustration: Eine Figur, die aussieht wie ein Geschäftsmann öffnet ihre Jackentasche. In der Innenseite sind ein Pokal und mehrere Medaillen zu sehen. Die Figur sagt "Pssst!".

Eine ehrenwerte Gesell­schaft

Das Justizministerium der USA nannte die FIFA „Die Firma“, als sei sie ein Kartell des organisierten Verbrechens. Wo immer im Sport großes Geld im Spiel ist, scheint es auch Bestechung zu geben. Können wir im Sport weltweit mit der Korruption aufräumen?

Der Weltfußballverband mag einen neuen Chef haben, aber langfristige nachhaltige Anstrengungen der Fifa werden nötig sein, um Fans auf der ganzen Welt davon zu überzeugen, dass sich die Organisation wirklich verändert hat und ihren Interessen dient, statt nur den eigenen. Schließlich weisen heute viele große Sportereignisse auf der ganzen Welt, natürlich einschließlich jener, die von der Fifa organisiert werden, ein ernst zu nehmendes Defizit auf: Das Geld bringt sie an einen Punkt, an dem das, was auf dem Spielfeld passiert, beinahe nebensächlich ist.

Man denke nur an die Zahl von Haftbefehlen, Untersuchungen und kriminellen Anschuldigungen gegen die Männer (beinahe ausschließlich), die so viele der internationalen Sportverbände leiten.

Erst kürzlich rief der Ausschuss für Kultur, Medien und Sport des britischen Unterhauses internationale Spitzenführungskräfte des Tennis dazu auf, zu mutmaßlicher Spielmanipulation auszusagen.

Diese Aktion folgt auf neuere gemeinsame Berichte von Buzzfeed und der BBC über die Ergebnisse einer Untersuchung zu groß angelegtem Zocken mit manipulierten Spielen. Es sei auf Folgendes verwiesen: „Mehr als 40 Spiele im Spitzentennis sind von Buchmachern in einer dreimonatigen Phase 2015 als ‚verdächtig‘ erachtet worden, es gibt eine ‚schwarze Liste‘ von mehr als 350 professionellen Tennisspielern, die Buchmacher für zu riskant halten, um auf sie zu setzen.”

 

Illustration: Fußball und Geld auf einem weißen Hintergrund.
Wo immer im Sport großes Geld im Spiel ist, scheint es auch Korruption zu geben, Illustration: Panther Media via picture alliance

Wo immer im Sport großes Geld im Spiel ist, scheint es auch Korruption zu geben. Und es ist eine riesige Summe Geld im Spiel: Nach Schätzungen der Prüfer von PriceWaterhouseCoopers betrugen die globalen Einnahmen aus dem Sport 2015 mehr als 145 Milliarden Dollar. In einem 360 Seiten umfassenden Bericht über Bestechung und Spielmanipulation im Sport betont die Antikorruptionsorganisation Transparency International: „Die Hauptverantwortung für Reformen liegt bei den Sportorganisationen.“ Weiter heißt es: „Dies muss verbunden sein mit anhaltender Auseinandersetzung mit zwischenstaatlichen Organisationen, Regierungen, Sportlern, Sponsoren, Unterstützern und der Zivilgesellschaft.”

Aber der Bericht macht sehr deutlich, dass es extrem schwierig ist, eine solche Koalition zu bilden. Diese Realität muss vielen Führungsfiguren des Weltsports ein Trost sein. Sie hoffen wohl inbrünstig, weiterhin verschwenderisch leben zu können, mit unveröffentlichten Honoraren, und mit scheinbarer Straffreiheit agieren zu können. Trotz der Beschwerden über den großen Sport und seine mächtigen Anführer, von American Football und Sport an US-amerikanischen Universitäten bis zum Weltfußball, von den Olympischen Spielen (von Bestechung bis Doping) bis zum Autorennen der Formel 1 scheinen sie alle unablässig ihre Eigeninteressen weit über die Interessen der Milliarden Sportfans weltweit zu stellen.

Führungskräfte globaler Sportverbände weltweit haben eine Arroganz, die nahelegt, sie glaubten einerseits, sie seien unberührbar – und andererseits, dass Geld immer regiert.

Cobus deSwardt, Geschäftsführer von Transparency International, hat Recht, wenn er im Vorwort zum „Global Corruption Report: Sport“ versichert: „Sport ist ein Symbol für Fair Play auf der ganzen Welt.“ Aber die Führungskräfte vieler großer Sportarten haben Fairness schamlos missachtet. „In den vergangenen fünf Jahren sind über 1.000 Sportereignisse – von Top-Level-Fußballspielen über olympische Badmintonspiele bis hin zu internationalen Kricketwettkämpfen – manipuliert worden“, schreibt der kanadische Wissenschaftler und Autor Declan Hill im neuen Bericht.

Die zwingende Schlussfolgerung des Berichts lautet, dass einschneidende Reformen absolut unerlässlich sind. Man kann nur hoffen, dass der beispiellose Angriff auf das große Durcheinander, das die Fédération Internationale de Football (Fifa) ist, die Tür für radikalen Wandel öffnen wird, der sich dann positiv auf andere Sportarten auswirken wird. Zunächst muss man verstehen, dass einige globale Sportorganisationen wie die Mafia operieren. Die Fifa wurde zeitweise mit Cosa Nostra verglichen, während sie von sich selbst eher das Image eines Roten Kreuzes vermittelt.

„Global Corruption Report: Sport” hebt eine Fußballgeschichte von 2002 des US-amerikanischen Senders ESPN hervor, welche die zunehmende Kollision zwischen Corporate-Marketing-Outfits und der Fifa seit 1974 zurückverfolgt, als João Havelange von Brasilien und dann der Nachfolger seiner Wahl, Sepp Blatter aus der Schweiz, die Fifa leitete.

Führungskräfte globaler Sportverbände weltweit haben eine Arroganz, die nahelegt, sie glaubten einerseits, sie seien unberührbar – und andererseits, dass Geld immer regiert.

 

Ein gewaltiger deutscher Korruptionsfall

FIFA-Präsident Sepp Blatter wird fotografiert, während ihm der britische Komiker Simon Beodkin Geldscheine zuwirft.
Die Probleme der Fifa haben die Sportwelt schockiert und warfen ein mächtiges Schlaglicht der Medien auf das Universum der Gaunereien im Sport, Foto: Ennio Leanza via picture alliance

Zum Beispiel ermittelten deutsche Staatsanwälte in einem gewaltigen Fall von Korruption gegen den langjährigen Chef der Formel 1 Bernie Ecclestone. Als er sah, in welche Richtung der Wind im Prozess wehte, tat er das, was er immer tut und bot Geld an. Der Gerichtsprozess wurde beendet, Ecclestone blieb unbestraft und das Gericht steckte 100 Millionen US-Dollar seines Geldes ein. Oder man nehme das Beispiel von Sepp Blatter, der der Politik die Schuld für alle seine Schwierigkeiten gibt. Er will die Korruption in seinem Zuständigkeitsbereich überhaupt nicht wahrhaben. Im vergangenen Oktober sagte er der Financial Times, er würde immer noch den Weltfußball leiten und wäre nicht von US-amerikanischen Justizministerium angeklagt worden, hätte er nur dafür gesorgt, dass die Weltmeisterschaft 2022 in den USA statt in Katar stattfindet. Da haben Sie einen Mann, der in einem Paralleluniversum mit ausgedachter „Realität“ lebt.

Die Probleme der Fifa haben die Sportwelt schockiert und warfen ein mächtiges Schlaglicht der Medien auf das Universum der Gaunereien im Sport. Das US-amerikanische Justizministerium nannte die Fifa „Die Firma”, als handele es sich dabei um ein Kartell des organisierten Verbrechens. Es erhob auch 47 Klagen gegen 25 Mitverschwörer. Unter dem Druck der US-Behörden durchsuchten Schweizer Beamte die Büros der Fifa in Zürich und nahmen ihre eigenen Ermittlungen auf.

Die Amerikaner schlugen zu, weil an vielen der mutmaßlichen krummen Geschäfte der Fifa große internationale Marketingverträge mit US-amerikanischen Firmen beteiligt sind. Die Aktion der Amerikaner hat zu Ermittlungen von Korruption im Fußball in Trinidad, in Brasilien und in anderen Ländern geführt. Wie das US-amerikanische Justizministerium aufgezeigt hat, sind laut Fifa 70 Prozent ihrer 5.7 Milliarden Dollar Einnahmen zwischen 2011 und 2014 auf den Verkauf von Fernseh-und Marketingrechten zur Weltmeisterschaft 2014 zurückzuführen.

Die Verwaltung des Sports wird oft von Ex-Sportlern beaufsichtigt, die wenig Vorerfahrung mit Management haben [...].

Tatsächlich hat das Geld bei großen Sportereignissen inzwischen riesige Größenordnungen angenommen, von den geschätzten 50 Milliarden Dollar, welche die Russen für die Olympischen Winterspiele in Sotschi ausgaben, bis hin zu zahllosen Milliarden, die Brasilien für die diesjährigen Olympischen Sommerspiele aufwenden wird. Zusätzlich zur Arroganz ihrer Führungskräfte genießen viele internationale Sportverbände – trotz der enormen Einnahmen aus Geschäftsabschlüssen — einen rechtlichen Non-Profit-Status ohne vorgeschriebene öffentliche Berichtspflichten.

In vielen Fällen haben sie auch ihren Hauptsitz in Ländern, in denen es keine behördliche Tradition gibt, sich die Ethik solcher Organisationen anzusehen.

Ein weiteres entscheidendes Hindernis für eine Reform betrifft den Typus der Menschen, die große Sportverbände leiten. Der Chefredakteur des neuen Berichts von Transparency International, Gareth Sweeney, stellt fest: Die Verwaltung des Sports wird oft von Ex-Sportlern beaufsichtigt, die wenig Vorerfahrung mit Management haben und durch sehr lineare hierarchische Organisationsmodelle hindurch operieren. Wenngleich diese Modelle in der Vergangenheit funktioniert haben mögen, haben viele internationale Sportorganisationen (ISOs), regionale Konföderationen und nationale Sportorganisationen (NSOs) einfach nicht Schritt gehalten mit dem enormen kommerziellen Wachstum des Sektors und sich sogar dafür entschieden, sich nicht anzupassen, um bestimmte Eigeninteressen zu wahren, inklusive hoher Gehälter, Bonuszahlungen und quasi grenzenloser Amtszeiten. Zu allem Übel haben Fans, die diverse Sportarten mit ihrem Geld unterstützen, keine Macht.

[...] viele internationale Sportverbände [genießen] – trotz der enormen Einnahmen aus Geschäftsabschlüssen — einen rechtlichen Non-Profit-Status ohne vorgeschriebene öffentliche Berichtspflichten.

Sie mögen die Spielmanipulation und den Aufruhr in den Straßen verachten, wie sie es in einigen asiatischen Ländern bei Korruption im Kricket getan haben, zeigen aber keine Anzeichen dafür, dass sie ihre bevorzugten Sportarten aufgeben als Form echten Protests. Diese Tatsache wird von den „Managern“ internationaler Sportarten zynisch ausgenutzt.

 

Doppelmoral der Unternehmen

Die Konzerne, die riesige Summen zahlen, um den großen Sport zu bewerben (zehn Millionen Dollar pro Minute bei der letzten U.S. Super Bowl des American Football) pflegen schon lange die Tradition, sich mit Führungspersönlichkeiten des internationalen Sports anzufreunden. Sie müssen von den Korruptionspraktiken gewusst, aber ihre Augen geschlossen haben, um ihre Geschäftspläne nicht zu durchkreuzen. Erst nachdem das US-amerikanische Justizministerium gegen die Fifa vorgegangen ist und die Medien ihre Aufmerksamkeit immer mehr auf die Korruption richteten, deuteten multinationale Konzerne, die seit Langem am Fußball beteiligt sind, an, dass sie sich von der Fifa zurückziehen würden, es sei denn, sinnvolle Reformen würden in Gang gebracht.

Die frühere deutsche Olympionikin Sylvia Schenk war in den vergangenen Jahren aktiv und effektiv bei der Leitung der Kampagnen von Transparency International Deutschland, um die Transparenz und Verantwortlichkeit im Profisport in Deutschland zu stärken. Schenk erklärt im abschließenden Essay des neuen Berichts von TI, es habe in den vergangenen acht Jahren Erfolge gegeben, angefangen damit, dass man den Deutschen Fußballbund dazu gebracht hat, sich mit Spielmanipulation zu beschäftigen, bis hin zur verbesserten Governance in Sportverbänden. Abschließend sagt sie, es sei harte Arbeit, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für Bestechung im Sport zu wecken. Sie lohnt sich nur allmählich, aber kann wirksam sein „und erweist sich womöglich als Grundpfeiler im Kampf für eine Welt, in der es keine Korruption (im Sport) gibt.”

 

Über den Autor
Frank Vogl

Frank Vogl hat ausgiebig über Korruption auf der ganzen Welt geschrieben und Vorträge gehalten. Er ist Mitgründer von Transparency International (TI) und beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit globaler Wirtschaft, Banking, Governance und Anti-Korruption, als leitender Beamter der Weltbank, als Führungsfigur der Zivilgesellschaft im Einsatz gegen Korruption und als Berater für Finanzinstitute. Seit mehr als 15 Jahren ist Frank Vogl eng verbunden mit dem New Israel Fund – der führenden Stiftung für Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit, die Organisationen zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten in ganz Israel unterstützt. Vogl ist Beiratsmitglied der United Nations Association of the Greater Washington Metropolitan Area; er ist ehemaliges Vorstandsmitglied des Ethics Resource Center und Mitglied der Wisemen Public Relations Association.

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