Schwieriger Umgang mit „Desinformation“
Im Oktober 2022 verabschiedete die türkische Regierung das sogenannte Desinformationsgesetz. Wer in sozialen Medien „Fake News“ verbreitet, dem drohen bis zu drei Jahre Haft. Das gilt nicht nur für Journalistinnen und Journalisten, sondern auch für private Social-Media-User. Was ist juristisch unter Begriffen wie Fake News und Desinformation zu verstehen?
Di Fabio: „Desinformation“ oder „Fake News“ sind unbestimmte Begriffe, mit denen man juristisch vorsichtig umgehen muss. Die erweislich unwahre Tatsachenbehauptung genießt zwar nicht ohne Weiteres den Schutz der Meinungsfreiheit, aber es gibt neben der frechen und evidenten Lüge häufig unscharfe Formulierungen, umstrittene Datenlagen, schiefe Zusammenhänge oder selektive Tatsachendarstellungen und ihre Gewichtung, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Schutzbereich der Meinungsfreiheit zulässig bleiben müssen, damit die Grenzen nicht zu eng gezogen werden.
Der Begriff der Desinformation taucht vor allem seit dem Trumpismus verstärkt auf und wird als Problem gesehen, übrigens auch in Deutschland. Selbst der Verfassungsschutz in Bund und Ländern denkt darüber nach, ob eine gezielte Desinformation, die häufig aus dem Ausland stammt und das Ansehen der Demokratie systematisch herabwürdigt, beobachtet werden müsste. Das Problem: Dann kommen Autokratien und sagen, genau dieses Phänomen kennen wir auch, deswegen verbieten wir aus unserer Sicht falsche Tatsachenbehauptungen und stellen bestimmte Wertungen unter Strafe. In Deutschland weiter meinungsfreundlich zu bleiben, ist wichtig, damit wir auch im Verhältnis etwa zur Türkei glaubwürdig sind.