Illustration: Zwei Personen sind durch eine Mauer voneinander getrennt.

Mit zwei Augen sehen

Ernsthafter kultureller Dialog und die Akzeptanz der Kultur des Anderen sind nötig, damit Kultur helfen kann, internationale Konflikte und solche innerhalb von Gesellschaften zu lösen. Dieser Dialog sollte fair sein, fordert die ägyptische Schriftstellerin Salwa Bakr.

Es war kein Zufall, dass die alten Ägypter Tiere ihrer Umgebung wie Adler, Krokodile und den weißen „Bano“-Vogel, dessen Macht in seinem bitteren Fleisch liegt, das andere Tiere nicht kauen und schlucken können, verehrten und für heilig hielten. Die Macht, welche schon immer die Grundlage für Gefühle der Überlegenheit bildet, dient als Rechtfertigung, um sich über andere Nationen zu erheben und diese gegebenenfalls zu „korrigieren“. Wir können das auch auf mehreren Wandbildern der alten ägyptischen Tempel sehen, welche die babylonische Gefangenschaft der Juden darstellen.

Illustration: Geschäftsmänner rügen Untergebene in hierarchischer Hackordnung
Die Macht, welche schon immer die Grundlage für Gefühle der Überlegenheit bildet, dient als Rechtfertigung, um sich über andere Nationen zu erheben, Illustration: John Holcraft / Ikon Images via picture alliance

Die Vorstellung, dass man gegenüber anderen Menschen anders und überlegen ist, bildet den Kern jedes ethno-kulturellen Rassismus. Dieser Kern nährte oft in der Geschichte die Feuer der Aufstände, sei es innerhalb lokaler Gemeinschaften, sei es auf internationaler Ebene. Die Vorstellung von Überlegenheit rechtfertigt Gewalt und Aggression, und es ist dieser Gedanke, der in unmenschlicher Weise mit Verehrung und Machtausübung verbunden ist.

Jeder politische, wirtschaftliche oder militärische Konflikt wird von kulturellen Ideen angetrieben und genährt. Die Aggression gegenüber dem Anderen kann dabei auf dem Gefühl beruhen, sich von diesem zu unterscheiden.

 

Und obwohl Religion ein Bestandteil der Kultur ist, kann sie die Gewalt neu aufleben lassen und an ihre jeweiligen Bedingungen und Anforderungen anpassen, denn sie ist heilig und absolut.

Ich erinnere mich daran, dass die ägyptische Regierung in den 1970er Jahren lebende Schafe aus Bulgarien importierte, die als Opfergaben für das islamische Opferfest verkauft und geschlachtet werden sollten, gemäß der Geschichte des Propheten Ibrahim und seines Sohnes Ismail. Doch die Menschen in Ägypten weigerten sich trotz des billigeren Preises der bulgarischen Schafe, diese Tiere zu kaufen oder zu schlachten, da Bulgarien ein kommunistisches Land war und seine Bewohner Ungläubige. Man machte Witze über diese Schafe, die sich auch äußerlich von den ägyptischen Schafen unterscheiden.

Ein anderes Beispiel: Abgesehen vom Zweiten Weltkrieg, als die Briten Inder in die Truppen ihrer Armee aufnahmen und Ägypten und Indien Kolonien der britischen Krone waren, hatten die Ägypter keinen Kontakt mit Indern. Doch früh beschrieben Ägypter Inder als dumm, nachdem sie festgestellt hatten, dass Inder Heiden waren, die Kühe als heilige Tiere verehren. Diese Situation steht scheinbar in einem religiösen Kontext, hat aber einen kulturellen Kern – nämlich die Feindseligkeit gegenüber der britischen Herrschaft. Das religiöse Thema ist tatsächlich kultureller Natur.

Kulturelle Referenzpunkte, die durch die Religion beeinflusst sind, liefern ein perfektes Beispiel dafür, wie Konflikte geschürt werden.

Juden dachten, dass sie das von Gott erwählte Volk sind, und Muslime waren stolz darauf, die beste Nation zu sein, die zu den Menschen hinausgeht, aber sie nannten jeden, der nicht Arabisch sprach, absonderlich. Auch Perser wurden absonderlich genannt, obwohl sie den Arabern im Mittelalter kulturell überlegen waren.

Jeder politische, wirtschaftliche oder militärische Konflikt wird von kulturellen Ideen angetrieben und genährt.

Arabische Historiker kategorisieren die Revolution und die Konflikte über wirtschaftliche und soziale Themen, welche die Perser gegen den arabischen islamischen Staat starteten, als rassistische Revolutionen gegen die islamische Religion. Diese Revolutionäre seien moralisch verkommen, hieß es, sie führten sexuelle Beziehungen und akzeptierten öffentliche Beziehungen, welche die Religion verbietet. Zudem seien sie selbst Ungläubige. Genau solche Gedanken nutzte Jahrhunderte später auch die englische Besatzungsmacht in Ägypten, um das Volk gegen den Kommunismus und die Kommunisten aufzubringen.

Und das wirkt bis heute noch nach: Ähnlich ging der politische Islam gegen die zivile säkulare Bewegung vor, nachdem die Revolution des 25. Januar 2011 einsetzte, während der ersten Parlamentswahlen und des Referendums über die Verfassungsartikel, die nach der Revolution formuliert wurden. Jeder, der säkular ist, war demnach ein Ungläubiger und von Natur aus moralisch verkommen. Durch die Wahlen zeigten die Islamisten, dass derjenige, der die Verfassungsartikel befürwortet, die im Sinne ihrer Interessen verändert worden waren, in den Himmel kommt, aber derjenige, der ihnen nicht zustimmt, in die Hölle fährt.

Von Religionen durchtränkte Kultur

In einigen Regionen der Welt, in denen es viel Analphabetismus und Ignoranz gibt, ist die von Religion durchtränkte Kultur des Volkes das Mittel, um einen Konflikt zu entzünden. Miteinander konkurrierende Mächte instrumentalisieren jeweils Elemente der Kultur, um die Masse zu bewegen und davon zu überzeugen, dass sie durch eine Konfliktpartei repräsentiert wird. Und dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, sich gegen eine andere Konfliktpartei zu stellen.

Während des Bürgerkriegs im Sudan, der zur Teilung des Landes führte, rechtfertigte man den Krieg und die anschließende Teilung mit kulturellen Aspekten. Die Tatsache, dass der Sudan ein multikulturelles Land ist, rechtfertigt diese Teilung aber nicht. Das Problem bestand und besteht in der autoritären Regierung. Sie basiert auf der Lüge religiöser Herrschaft, die für die Probleme und Tragödien in diesem an natürlichen Ressourcen reichem Land verantwortlich ist. Das Regime verfolgte nicht nur die Menschen im Süden, sondern alle Bürger – und tut dies immer noch. Muslime wie auch Christen werden weiter unterdrückt. Jeder bezog sich auf kulturelle Unterschiede, um den Konflikt zu verstärken und seinen wirtschaftlichen Kern zu verschleiern.

Während der Revolution des 25. Januar in Ägypten betrieben offizielle Medien, die sich gegenüber dem Regime Mubarak loyal verhielten, eine Kampagne gegen die revolutionären und liberalen Bewegungen, die sich auf beliebte kulturelle Referenzpunkte stützte.

Während des Bürgerkriegs im Sudan, der zur Teilung des Landes führte, rechtfertigte man den Krieg und die anschließende Teilung mit kulturellen Aspekten.

Ein Medienvertreter zielte mit einer Kampagne darauf ab, Mohammed al-Baradei anzugreifen, den früheren Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde. Es hieß, er könne kein Vertreter der populären Kräfte sein, die sich gegen Mubaraks Regierung richten. Der Medienvertreter begründete dies damit, dass al-Baradei keinerlei Beziehung zum Volk hätte. Sein Leben hätte er außerhalb Ägyptens verbracht und dort für die Vereinten Nationen gearbeitet. Er wisse nicht, dass ein Bauer mit Gewalt Nahrung in die Münder von Enterichen stopft. Damit ist gemeint, dass der Bauer auf dem Boden sitzt und den Vogel lähmt, indem er seine Beine festhält, ihn dann zwangsweise mit Bohnen oder Getreide füttert und dann Wasser hinzugibt, damit das Tier schnell fett wird und man nicht warten muss, bis es das Futter von selbst aufpickt.

So versuchte man sich über al-Baradei lustig zu machen. Es wurde verbreitet, er lebe in einem Elfenbeinturm, weit entfernt von der Lebenswirklichkeit armer Menschen.

Dann gab es den Test auf Jungfräulichkeit, den einige Armeeoffiziere bei verhafteten Mädchen durchführten, weil sie sich im Zuge der Revolution 2011 an den Protesten auf dem Tahrir-Platz beteiligt hatten. Das Militär versuchte, das Publikum gegen die Demonstranten aufzubringen. In der Kultur des Volkes sind moralische Tugenden und Jungfräulichkeit miteinander verbunden. Man schädigte den Ruf der Mädchen, und dies führte zwangsläufig dazu, dass die meisten Familien ihre Mädchen daran hindern wollten, an Protesten gegen die Militärherrschaft teilzunehmen und Demokratie zu fordern.

Das erinnert vielleicht auch daran, wie während der Studentenrevolution in Ägypten im Jahr 1972 viele junge Männer, die nicht lesen und schreiben konnten, mit den zentralen Sicherheitskräften zusammenstießen, nachdem einige der Protestierenden angegeben hatten, dass Soldaten versuchen, protestierende Mädchen anzufassen oder zu belästigen. Das weckte das Mitgefühl der Menschen für die protestierenden Studenten und sie bekamen Unterstützung, denn in der lokalen Kultur gilt es als großes Verbrechen, Mädchen zu belästigen.

Es besteht kein Zweifel: Immer wieder werden kulturelle Bezüge hergestellt, um Konflikte anzuschüren. Das zeigte sich etwa im ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak, der in der Zeit der Regierung von Saddam Hussein stattfand. Die Wurzeln des Konflikts liegen viele Jahrhunderte zurück. Sie finden ihren Ursprung in der Rivalität zwischen Mesopotamien (Gebiet des heutigen Irak) und Persien (Iran). Ein ideologisch-kulturell vorgeschobener Grund für den Beginn des Krieges lag im Kampf um die Herrschaft über die rohstoffreiche Provinz Chuzestan: Der Kampf zwischen Arabern und Persern, die Befreiung Arabistans, der mehrheitlich arabischen Bevölkerung von der Fremdherrschaft. Auf irakischer Seite war diese Ideologie insofern erfolgreich, da schiitische Iraker gegen schiitische Iraner das Kriegsgeschehen maßgeblich beeinflussten.

Die Kultur des Anderen auf Reisen und durch eigene Erfahrungen kennenzulernen, führte dazu, Wissen über den Westen, seine Künste und Kulturen zu generieren und zu sammeln.

Davon abgesehen kann Kultur eine positive Waffe sein, um Konflikte zu beenden oder zu entschärfen. Das fehlende kulturelle Wissen über den jeweils anderen ermöglicht dagegen eine ganze Reihe von Irrtümern.

In früheren Zeiten kamen viele junge Leute aus der islamisch geprägten Welt zum Studium in verschiedene westliche Länder. Studenten aus dem Orient lebten mehrere Jahre in einem westlichen Land, lernten dort den Alltag kennen und lebten mit den Einheimischen. Daraus gingen Generationen hervor, welche die anderen verstanden und so der Gefahr der Intoleranz vorbeugten.

Die Kultur des Anderen auf Reisen und durch eigene Erfahrungen kennenzulernen, führte dazu, Wissen über den Westen, seine Künste und Kulturen zu generieren und zu sammeln. Heute hat es den Anschein, dass diese Art von Neugier auf den Westen im Rahmen eines übergeordneten Projekts, nämlich für sein eigenes Land eine andere Weltgegend zu erkunden und mit spezifischen Erfahrungen nach Hause zurückzukehren, verlorengegangen ist. Immer weniger junge Menschen haben nun die Möglichkeit, die anderen Kulturen durch unmittelbaren täglichen Kontakt kennenzulernen.

Ganz anders liegt der Fall der Menschen, die im Westen leben, aber schon mit kulturellen Vorbehalten dorthin kommen, um sich selbst darin zu bestätigen, dass man den Westen fürchten muss.

Von den Kreuzzügen bis zum modernen Israel 

Die Menschen, die am 11. September 2001 das World Trade Center in New York attackierten, gehörten zu diesem neuen Typus, der mit einer voreingenommenen Haltung in den Westen kommt. In den Augen dieser Menschen ist der Westen böse, hat nur seine eigenen Interessen im Blick und hasst den Islam und die Muslime seit der Zeit der Kreuzzüge.

Diese Gedanken werden noch verstärkt durch die Bitterkeit, die diese Menschen angesichts der Geschichte des westlichen imperialen Auftretens und angesichts der Voreingenommenheit des Westens für den Staat Israel empfinden. Diese Menschen können keine andere Art des Umgangs miteinander finden als Gewalt. Wegen ihrer religiöskulturellen Bezugspunkte kämpfen sie mit den Taliban in Afghanistan und werden im Namen der Religion zu Piraten in Somalia. Sie halten ihren Krieg gegen die (westlichen) Ungläubigen für gerecht, sie sehen ihn als Kampf für Gott und die Religion.

Illustration einer Demonstration von Rechtsextremisten, die mit Fackeln und Schildern durch die Straße gehen.
Das Problem ist in der Kultur verankert. Es entsteht der Wunsch, den Anderen auszulöschen, weil die anderen kulturellen Bedeutungen ausgelöscht werden sollen, Illustration: Oivind Hovland / Ikon Images via picture alliance

Leider genügen die ergriffenen technischen Sicherheitsmaßnahmen, mit denen man gegen diesen sogenannten internationalen Terrorismus kämpft, nicht. Das Problem ist in der Kultur verankert. Es entsteht der Wunsch, den Anderen auszulöschen, weil die anderen kulturellen Bedeutungen ausgelöscht werden sollen.

Vor Jahren traf ich in Zürich einen Ägypter, der bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia arbeitete. Er freute sich, eine ägyptische Schriftstellerin zu treffen, die von dieser Stiftung eingeladen war. Aber er sagte mir, dass er seine elfjährige Tochter nach Ägypten schicken werde, da er sich in der Schweizer Gesellschaft Sorgen um sie mache. Diese Gesellschaft sei moralisch fragwürdig, und sexuelle Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen seien verbreitet. Ich sagte zu ihm: „Aber Sie leben im Westen, und Ihre Frau, die Mutter Ihrer Kinder, ist Schweizerin. Sie haben sie in einer freien Beziehung kennengelernt und dann geheiratet. Warum erlauben Sie Ihrer Tochter nicht, was Sie sich selbst erlaubt haben?“

Dies ist ein gängiges Beispiel für einen muslimischen Mann, der eigentlich ein Vorbild sein sollte, da er in eine moderne Kultur eingedrungen ist. Es gibt auch Beispiele von Mädchen, Töchter von Immigranten der dritten oder vierten Generation, die einen Schleier tragen und kein Arabisch sprechen. Sie leben im Westen, erhalten aber ihre muslimische Identität und Kultur. Von aufgeschlossenen Europäern werden sie akzeptiert.

Wegen ihrer religiös-kulturellen Bezugspunkte kämpfen sie mit den Taliban in Afghanistan und werden im Namen der Religion zu Piraten in Somalia.

Viele Studenten amerikanischer und anderer ausländischer Universitäten in der arabischen Welt haben keine antiwestliche Haltung, sie haben aber die Kultur ihrer Religion. Sie haben den Ehrgeiz, im Westen eine alternative islamische Kultur zu finden. Das bedeutet, sie sind das lebende Beispiel für einen westlichen Stil mit einer islamischen Identität. Jeans und Make-Up und dazu einen Schleier zu tragen, schließt sich nicht gegenseitig aus. Es ist auch kein Widerspruch, in einer gebildeten Familie Englisch oder Französisch zu sprechen und zu fasten und andere religiöse Bräuche zu pflegen.

Fehlender Dialog

Illustration: Zwei Sprechblasen ohne Inhalt, um die herum Blitze zu sehen sind.
Der politische Islam bringt auch Denker hervor, die den anderen ablehnen, hassen oder sogar Gewalt einsetzen, Illustration: Valeriy Kachaev / Panther Media via picture alliance

Der politische Islam bringt auch Denker hervor, die den anderen ablehnen, hassen oder sogar Gewalt einsetzen. Etwa als ein dänischer Karikaturist eine Zeichnung anfertigte, die den Prophet der Muslime beleidigt, oder als ein Mitglied des holländischen Parlaments den Islam und die Muslime ohne nachvollziehbaren Grund verteufelte. Es gibt keinen ernsthaften kulturellen Dialog, der Erklärungen für dieses Verhalten liefert.

Der Ärger der Muslime, der sich erklärt durch den Hass der Christen auf die Muslime und ihre Feindseligkeit ihnen gegenüber seit der Zeit der Kreuzzüge, wird nichts anderes hervorbringen als mehr junge Freiwillige für den Krieg mit den Taliban aus Ägypten, Saudi-Arabien, Jemen, Pakistan und anderen islamischen Ländern.

Der Dialog kommt nicht zustande, und dies ist die Basis für Kultur- und Religionsfanatiker, die meinen, es gäbe keine Hoffnung für den Westen; es gibt dann kein vernünftiges Denken und kein Verständnis mehr für den Anderen.

Diejenigen, die zum politischen Islam tendieren, fragen sich, warum der Westen angesichts der Massaker an Muslimen in Myanmar schweigt, aber aufgeregt über den Völkermord in Ruanda debattierte. Die einzige Erklärung, die Islamisten für diese widersprüchliche Situation haben, lautet, dass es sich bei den Niedergemetzelten um Muslime handelt und der Westen den Islam und Muslime hasst. Und einige dieser Islamisten denken vielleicht daran, eine Bombe zu legen oder eine gewaltsame Aktion durchzuführen, um gegen diese feindliche Haltung des Westens gegenüber den Muslimen zu protestieren. Man erinnert sich an Gewaltakte wie die Versuche, die dänische Botschaft in Beirut niederzubrennen, als der Konflikt um die Karikaturen ausgebrochen war, die den Propheten beleidigen. Fehlender Dialog und fehlendes Verständnis für die andere Kultur sorgt für mehr Gewalt und Zerstörung in der Welt.

Während der Gespräche über das Nilwasser, die nach der Revolution des 25. Januar stattfanden, zeigte sich, dass dieses Problem im Wesentlichen kultureller Natur ist. Die ignorante Haltung der Angestellten und ägyptischen Diplomaten gegenüber Schwarzafrika, die kulturelle Diskriminierung, mit der sie mit Ländern des Nilbeckens verhandelten, war der Grund dafür, dass diese Länder die Verteilung der Wasseranteile des Nils überdachten und ganz besonders den Anteil Ägyptens. Ägypten, das Land mit dem größten Anteil, scheint sich nicht um die Probleme zu kümmern, unter denen diese Länder leiden.

Fehlender Dialog und fehlendes Verständnis für die andere Kultur sorgt für mehr Gewalt und Zerstörung in der Welt.

Gute Ergebnisse durch Gespräche mit diesen Ländern konnten erzielt werden, nachdem eine ägyptische Delegation, an der einige der Rebellen des 25. Januar teilnahmen, zu ihnen reisten und den Schwarzafrikanern versicherten, dass das Mubarak-Regime und seine Vertreter diese Diskriminierung nicht nur gegenüber den Ländern des Nilbeckens an den Tag gelegt hatten, sondern zuallererst gegenüber den Ägyptern selbst. Ägypten ist ein afrikanisches Land, aber das Mubarak-Regime behandelte Schwarzafrika und speziell die Länder des Nilbeckens, als ob es sich um eine Gruppe andersartiger Länder handeln würde. Ernsthafter kultureller Dialog und die Akzeptanz der Kultur des jeweils Anderen sind die Grundlagen dafür, dass Kultur effektiv zur Lösung internationaler Konflikte und Konflikte innerhalb unterschiedlicher Gruppen von Menschen beitragen kann. Aber dieser Dialog sollte fair sein, und man sollte dabei mit zwei Augen schauen, nicht nur mit einem. Ein mitfühlender Blick auf die Probleme des anderen ist das A und O eines konstruktiven und produktiven Dialogs.

Einige fragen sich, wie der Westen darauf bestehen kann, die Menschenrechtslage in China zu kritisieren, während er gleichzeitig darauf besteht, repressive und diktatorische Regime zu unterstützen, wie es mit dem Regime Mubaraks der Fall war. Sie fragen sich auch, warum der Westen angesichts der Revolution im Sudan und der Unterdrückung von Oppositionellen durch das sudanesische Regime schweigt und sich auf die syrische Opposition und die Massaker des Regimes von Baschar alAssad an seinen Gegnern konzentriert. Die Haltung des Westens basiert nur auf Interessen, es fehlt ihr an Gefühl und Objektivität. Dies verhindert kulturelles Verständnis, das aber Konflikte auf der ganzen Welt beenden könnte.

Ja, das Element Kultur ist wichtig und wirksam. Und vielleicht ist es die Basis, um einige internationale Konflikte zu lösen –, aber unter der Voraussetzung, dass es objektiv und fair zum Einsatz kommt.

Über die Autorin
Salwa Bakr
Schriftstellerin

Salwa Bakr zählt zu den führenden Schriftstellerinnen Ägyptens und lebt in Kairo. Sie setzt sich publizistisch für den interkulturellen Dialog zwischen der arabischen und westlichen Welt ein; der Schwerpunkt ihres Werks, das Romane und Erzählungen umfasst, ist die Situation der Frauen in Ägypten.

Kulturreport Fortschritt Europa

Der Kultur kommt im europäischen Einigungsprozess eine strategische Rolle zu. Wie steht es um die Kulturbeziehungen innerhalb Europas? Wie kann Kulturpolitik zu einer europäischen Identität beitragen? Im Kulturreport Fortschritt Europa suchen internationale Autor:innen Antworten auf diese Fragen. Seit 2021 erscheint der Kulturreport ausschließlich online.