Illustration: Figuren spielen Fußball, daneben stehen Figuren mit Waffen.

Werkzeug der Kulturbezie­hungen

Sport ist universell attraktiv. Er überbrückt Sprach- und Kulturgrenzen und kann weltweit Türen öffnen – als wichtiges Werkzeug für Kulturbeziehungen. In welchem Ausmaß spielt der globale Sport eine Rolle, um größere außenpolitische Ziele zu erreichen?

Sport ist für sich genommen keine Lösung, aber die Bedeutung, die er für die heutigen Kulturbeziehungen hat, sollte nicht unterschätzt werden. Wir müssen weiterhin ein Verständnis dafür vorantreiben, was Sport kann, was er nicht kann und was er tun sollte.

In einer fragmentierten, gespannten und zunehmend gespaltenen Welt steigt das Bedürfnis nach wirksamen Kulturbeziehungen. Effektivere Kulturbeziehungen würden das Risiko großer Konflikte aufgrund eines Missverständnisses oder fehlenden Verständnisses zwischen verschiedenen Ländern, Communitys und/oder Gruppen reduzieren. Sport sollte ein Bestandteil im Werkzeugkasten jedes Diplomaten oder Staatsdieners sein. Sport kann für jeden ein wichtiges Werkzeug darstellen, der sich an den heutigen Kulturbziehungen beteiligt. Wir sollten alle verfügbaren Mittel nutzen, um die Welt zu einem weniger angespannten und besseren Ort zu machen. Worin auch immer die Unterschiede zwischen den europäischen Kulturpartnern und Agenturen bestehen – wir sind stärker, wenn wir zusammen statt getrennt voneinander arbeiten. Die wahre Chance und Herausforderung besteht darin, ob die kollektive europäische Expertise, der Willen und die Anstrengung stark genug sind, um mit Belegen und Fachwissen zu demonstrieren, wie Sport die Kulturbeziehungen und die Außenpolitik beeinflusst und beeinflussen kann.

 

Die Kunst des Möglichen ist möglich

Ich werde verdeutlichen, dass Sport die Kunst des Möglichen möglich machen kann. Kulturbeziehungen und Außenpolitik können gelegentlich sehr fern von unserem Alltag erscheinen. Sport wiederum verbindet Menschen aller Gesellschaftsschichten und wir können es uns nicht leisten, etwas zu ignorieren, das heute zu besseren internationalen Kulturbeziehungen beitragen kann. Es wäre falsch, nahezulegen, das Interesse an Sport, Kultur und Außenpolitik sei etwas Neues. Eine beträchtliche Zahl an Arbeiten unterstützt und befragt die Rolle des Sports.

Es sind inzwischen mehr als 50 Jahre vergangen, seit Chataways und Goodharts Bericht über den internationalen Sport in „A War without Weapons“ (1968). Sie beschrieben den Stellenwert des Sports im Kalten Krieg, in Südafrika, im Amerikanischen Bürgerkrieg und bei der Aushandlung der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und China.

Händedruck zwischen zwei Sporltern.
Sport verbindet Menschen aller Gesellschaftsschichten. Wir können es uns nicht leisten, etwas zu ignorieren, das heute zu besseren internationalen Kulturbeziehungen beitragen kann, Foto: Massimo Sartirana via unsplash

In jüngerer Vergangenheit lieferte Victor Cha, der frühere, für das Weiße Haus tätige Chef für asiatische Angelegenheiten, in „Beyond the Final Score“ (2009) einen der wenigen Insiderberichte über Sportdiplomatie und stellte dar, dass Sport wichtig ist, weil er Möglichkeiten für Interventionen bieten und weniger abgehoben sein kann als manche Formen der Diplomatie. Der Bericht des britischen Oberhauses über „Persuasion and Power in the Modern World“ (2014) verwies auf die Notwendigkeit, Taktiken der Hard und Soft Power auszubalancieren, und erkannte dabei die Rolle, die Sport spielen kann.

Es gibt eine Unmenge an bedeutenden Arbeiten, von denen wir lernen können. Sie zeigen, dass Sport wichtig ist, weil er (1) universal attraktiv ist und somit Sprach- und Kulturgrenzen überbrückt; (2) in der Lage ist, Wohlfühlfaktoren zu generieren – wenn auch nur zeitweise; (3) die Gespräche zwischen Ländern fördert, die am Rande von Sportereignissen stattfinden und (4) die Kriminalitäts- und Suizidraten verringern kann.

Sport kann Türen öffnen für Menschen, Communitys und Universitäten, und [...] Ländern dabei helfen, miteinander zu kommunizieren. 

Allgemein gesagt, gibt es drei weit gefasste Aussagen zu Sport, Kultur und Außenpolitik: Eine ist nach außen gewandt und besagt, dass Sport zu den größeren Zielen von Kultur-und Außenpolitik beiträgt. Eine ist nach innen gewandt und verweist darauf, wie Sportorganisationen, Agenturen, Klubs und Institutionen ihre eigene interne Kultur- und Außenpolitik durch Sport verwirklichen und aushandeln. Und eine stellt eine Mischung aus beiden dar.

Es ist fantastisch, im Bereich Sport zu arbeiten, weil er so viele Menschen erreicht. Er kann in viele interessante Entdeckungsräume hineinführen. Sport kann Türen öffnen für Menschen, Communitys und Universitäten, und, so behaupte ich, Ländern dabei helfen, miteinander zu kommunizieren. Er ist eine Sprache für sich.

Die Rolle der Kunst ist seit Langem anerkannt und wird in der europäischen Kultur als wertvolles soziales Werkzeug gefeiert. Sport sollte in Bezug auf die europäischen Kulturbeziehungen den gleichen Status erhalten. Er sollte in seiner Bedeutung nicht geringer geschätzt werden als Kunst oder Musik, die in den Debatten und Vorgehensweisen zur europäischen Kultur oftmals bevorzugt werden. Sport kann eine gesellschaftliche, kulturelle und populäre Kraft sein, doch wir müssen mehr darüber wissen, wo und wann und unter welchen Umständen. Die Sprache rund um Sport, Kultur und Außenpolitik ist ein überfüllter Raum. Viel zu überfüllt, wenn Sie mich fragen. Wir hören von Hard Power, Soft Power, Kulturdiplomatie, Kulturbeziehungen, Kulturpolitik, Außenpolitik und Public Diplomacy.

Wir brauchen eine neue Sprache für die Kulturbeziehungen, wenn nicht sogar einen neuen Modus operandi. Kulturbeziehungen wollen, wie der Name schon sagt, eine Beziehung herstellen. Das Medium des Austauschs ist die Kultur. Und geschaffen wird dabei eine Beziehung: etwas, das auf Gegenseitigkeit beruhen sollte, was aber nicht immer der Fall ist. Viel ist geschrieben worden über den Beitrag des Sports zur Hard und Soft Power. Es gibt zunehmend Belege für die Anerkennung der Existenz der Kulturbeziehungen innerhalb dieses „Spektrums der Hard und der Soft Power“, aber innerhalb dieses Kontexts müssen wir verstehen, was funktioniert, welche Hilfsmittel verfügbar sind und wie wir Sport und andere Aspekte der Kultur besser nutzen.

Sport kann eine gesellschaftliche, kulturelle und populäre Kraft sein, doch wir müssen mehr darüber wissen, wo und wann und unter welchen Umständen.

Regierungen können Länder attraktiver machen durch politische Vorgehensweisen, Diplomatie, Verteilung von Ressourcen, inklusive einer Entwicklungshilfe für den Sport und dies können auch nichtstaatliche Institutionen und Vertretungen tun, die unterhalb der formalen Regierungsebene arbeiten. Wenn wir Hard und Soft Power betrachten als das, was ein Land mit dem anderen tut, dann würde ich behaupten, dass wirksame internationale Kulturbeziehungen jedoch weit darüber hinausgehen.

 

Sport als potenzieller Einflussfaktor

Afghanen spielen Fußball auf einem Sandplatz in der Stadt Kabul.
In einigen der am stärksten vom Krieg zerrütteten Ländern der Welt ist der Sport von besonderer Relevanz, Foto: Ebrahim Noroozi via picture alliance

Sport ist mehr als ein Spiel – er ist ein potenzieller Einflussfaktor. Sport kann dabei helfen, Freunde zu gewinnen, er kann eine Quelle für Hoffnung sein und, wie andere Aspekte der Kultur, dazu beitragen, Humankapital zu entwickeln. Ich habe vor Kurzem einen britischen Schattenminister für internationale Entwicklung zu dem Thema Fußball, Armut und internationale Entwicklung interviewt. Er erzählte mir eine Geschichte nach der anderen über die Relevanz, die Sport in einigen der am meisten von Kriegen zerrütteten Länder der Welt hat.

Er verwies auf die Menschenmengen in den arabischen Aufständen, in denen viele Trikots europäischer Fußball-Klubs trugen. Er erzählte mir, wie Fußball in Afghanistan und im Libanon, in einem palästinensischen Flüchtlingslager, Hürden überwunden hat. Die Flüchtlinge wollten nicht mit ihm reden, bis er selbst am Fußballspiel teilnahm.

Er sagte: „Die Jungs kickten einen Fußball herum. Nun, er wurde Fußball genannt, aber er sah nicht wie ein solcher aus, denn es gab darin keine Luft. Aber ich machte mit bei ihrem Herumgekicke. Und augenblicklich waren die Familien gerne dazu bereit, über ihre Situation zu sprechen, über ihre Verhältnisse, ihr Dilemma als palästinensische Flüchtlinge im Libanon. Fußball hat also sofort diese Hürde überwunden.“

In Afghanistan machte er in etwa die gleiche Erfahrung. Er beobachtete Mitglieder der damals neuen afghanischen Sicherheitskräfte, die sich davon erholten, es in Staub und Gefahr in Afghanistan mit den Taliban aufzunehmen, indem sie in Trikots von 30 verschiedenen europäischen Fußball-Klubs spielten. Da waren sie, mit britischen Soldaten an ihrer Seite, die das Match vor Angriffen der Taliban abschirmten.

Es waren also Menschen dort, die eine Pause machten. Und was taten sie in dieser Zeit? Sie hatten sich die Trikots eines Klubs angezogen, von dem sie vielleicht nur gehört hatten. Diese Dinge zeigen die kulturelle Durchdringung und den Einfluss des Fußballs. Trotz der letzten Enthüllungen rund um die Fifa kann die Welt des Fußballs und des Sports allgemein Einfluss ausüben.

Norwegische Minister für internationale Entwicklung erzählen ähnliche Geschichten und haben oft darüber gesprochen, welche Rolle der norwegische Fußball-Club für die Stärkung des Internationalismus und der Kooperation zwischen Norwegen und anderen Ländern spielte. Das Ziel dieses Wettkampfs besteht darin, sehr früh Verbindungen zwischen Kindern verschiedener Nationen herzustellen und Freunde für Norwegen zu gewinnen. Da überrascht es vielleicht, dass Norwegen in der weltweiten Tabelle des Einflusses durch Sport hinter Dänemark liegt. Dänemark ist ein Beispiel für einen Staat, der gezielt plant, evaluiert und vergleicht, was genau Einfluss durch Sport bedeuten könnte und sollte.

Der „Global Sports Political Power Index“ wurde 2013 gegründet und versucht, den Einfluss zu messen, den Nationen im Weltsport haben und haben sollten. Dänemark erfand und koordiniert das System, denn es möchte eine auf Belegen basierende Einschätzung der Zahl internationaler Positionen, die Dänemark im internationalen Sport zu erreichen versuchen sollte; bestimmen, welche Nationen den größten Einfluss in der internationalen Szene haben und herausfinden, mit welchen Ländern Dänemark kooperieren sollte.

Dänemark ist ein Beispiel für einen Staat, der gezielt plant, evaluiert und vergleicht, was genau Einfluss durch Sport bedeuten könnte und sollte.

Eine Analyse der Daten zeigt: Unter den skandinavischen Ländern positionierte der Index Dänemark an zweiter Stelle hinter Schweden, aber vor Norwegen und Finnland. Unter anderen europäischen Ländern landete Dänemark auf dem 12. Platz. Großbritannien lag an der Spitze; Italien, Deutschland, Frankreich und Spanien waren unter den ersten Fünf. In der internationalen Tabelle der Sportnationen war Dänemark auf dem 36. Platz, wobei auf den ersten fünf Plätzen USA, Großbritannien, Italien, Frankreich und Russland lagen. Australien war auf dem achten, Deutschland auf dem neunten und China auf dem zehnten Platz.

Die Dänen führten die Analyse durch, um sich besser auszustatten für die internationalen Diskussionen über Demokratie im Sport. Mehr Einfluss im Sport auszuüben, ist aber nicht das Gleiche wie Einfluss durch den Sport, wo der Sport ein Mittel zum Zweck ist.

 

Der Einfluss der Weltmeisterschaft in Brasilien

Viel ist geschrieben worden über den Einfluss der Fifa-Weltmeisterschaft in Brasilien 2014. Der brasilianische Wissenschaftler Almeida und andere erinnern uns daran, dass Sport in der brasilianischen außenpolitischen Agenda seit 2003 eine immer größere Rolle gespielt hat. Wenngleich die spezifischen Ergebnisse der Außenpolitik noch bewertet werden müssen, war das gewonnene Recht, Gastgeber für große Sportereignisse zu sein, geplant als ein Weg, um dem Land mehr Anerkennung und symbolische Macht in der internationalen Arena zu verschaffen.

Die Brasilianer wollten, „die Profite eines bemerkenswerten Grads an Soft Power erhalten, indem sie die Weltmeisterschaft 2014 nutzen sowie die Olympischen und Paralympischen Spiele 2016.“ Almeida erkannte abschließend an, dass solche Sportereignisse die Absicht vieler brasilianischer Verantwortlicher in der Politik unterstützten, den Status Brasiliens durch die Nutzung großer Sportereignisse international zu erhöhen.

Ein Bild mit dem Logo der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2014 an einer Hauswand.
Das Recht, Gastgeber für große Sportereignisse zu sein, war geplant als ein Weg, um Brasilien mehr Anerkennung und symbolische Macht in der internationalen Arena zu verschaffen, Foto: Simon Stacpoole via picture alliance

Viel ist darüber geschrieben worden, wie Sport als Aspekt der Soft Power genutzt wird. 2015 veröffentlichten Jonathan Grix und andere ihre Arbeit über Sportereignisse als Teil der Soft-Power-Strategie eines Lands. 2013 veröffentlichten Robert Huish und andere eine Arbeit über den Stellenwert des Sports in der Soft-Power-Strategie Kubas. Zudem veröffentlichte eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler eine Arbeit über Straßenfußball und die Bildung von Sozial- und Humankapital durch Sport.

Untersuchungen, die Belege dafür anführen, dass Sport Kompetenzen aufbaut, sind bedeutsam wegen der Verbindung zwischen Humankapital, wirtschaftlichem Wachstum und der Reduzierung von Ungleichheit. Abgesehen davon geht es allgemein gesagt darum, dass wir anerkennen sollten, wie Länder Sport nutzen, um sowohl innerhalb des Sports als auch durch Sport Einfluss zu nehmen.

Hinzufügen möchte ich noch, dass Universitäten ebenfalls eine große Rolle durch Sport und andere Mittel spielen. Meine eigene Universität, Edinburgh, behauptet von sich, die Welt seit 1583 zu beeinflussen. Dabei leistet Sport einen Beitrag wie auch die Arbeit unterschiedlicher Universitäten, die über Grenzen hinweg und zwischen Nationen arbeiten. Die Welt hatte schon immer ihre Probleme. Neu sind die Kontexte, in denen wir heute leben und die Hilfsmittel, die wir zur Verfügung haben, um diese Probleme zu lösen. Das Weltwirtschaftsforum hat festgestellt, dass die internationalen Top-Trends die Ungleichheit in den Einkommensverhältnissen noch verstärken; Arbeitslosigkeit, wachsender geostrategischer Wettbewerb und verstärkter Nationalismus. Zu den weiteren Bedenken zählen steigende Bevölkerungszahlen, Schwächung der Demokratie, Klimawandel, Gesundheit und zunehmende Sorgen um Wasser.

 

Keine einfachen Lösungen

Bei jedem Weltproblem gibt es die Versuchung, die Sache zu vereinfachen, eine schnelle Lösung zu finden und manchmal fälschlicherweise Aggressoren, Übeltäter und/oder Opfer zu identifizieren. Aber die Menschheit wie auch die Machtpolitik ist nicht so einfach. Die Probleme, mit denen wir uns beschäftigen müssen und die eine imponierende und große Reichweite haben, müssen tapfer und mit einem kooperativen Geist angegangen werden.

Ausländische Diplomaten, Botschafter, Staatsdiener, Kulturagenturen, Communitys und Länder brauchen deshalb eine große Vielfalt an Werkzeugen, um Freunde zu gewinnen und um Beziehungen und Verständnis aufzubauen sowie zu fördern. Wie ich zuvor schon gesagt habe, sollte Sport eines dieser Werkzeuge sein.

Wir müssen die globale Währung des Sports nutzen, wenn es darum geht, für Länder Freunde zu gewinnen. Wir müssen einen wirksamen Rahmen finden, eine Sprache, eine Reihe von Prinzipien, über die internationale Kulturbeziehungen und andere Aspekte der heutigen Kultur funktionieren können und sollen. Gute Kulturbeziehungen sind ein gegenseitiger Prozess. Um aber langfristige sinnvolle internationale Kulturbeziehungen zu prägen, müssen Gegenseitigkeit, Wechselwirkung, Vertrauen und Kooperation ermöglicht werden. Die Rolle, die nichtstaatliche Institutionen und Vertretungen spielen, die unterhalb der Regierungsebene arbeiten, ist von zentraler Bedeutung, also Sporteinrichtungen, Klubs, Vertretungen, Universitäten und andere. Sport spielt eine Rolle dabei, die Kunst des Möglichen möglich zu machen.

Ich schätze also den Beitrag des Sports, den er leisten kann, sehr. Ich schätze auch den Beitrag der Universitäten sehr. Aber ich bin überzeugt, dass wir neu über die internationalen Kulturbeziehungen nachdenken müssen, um sie effektiver zu machen. Widerstand kommt dabei womöglich von traditionellen Theoretikern oder orthodoxen Praktikern, aber schon jetzt gibt es für Länder eine Million unterschiedlicher globaler Herausforderungen.

Wir müssen einen wirksamen Rahmen finden, eine Sprache, eine Reihe von Prinzipien [...]. Gute Kulturbeziehungen sind ein gegenseitiger Prozess.

Womöglich fehlt uns noch immer eine umfassende Philosophie der internationalen Kulturbeziehungen, aber wir können aufzeigen, wie gute Praxisbeispiele vor Ort funktionieren. Wir haben zahlreiche Belege für die Art und Weise, in der Sport Human-, Sozial- und Kulturkapital entwickelt. Wirtschaftswissenschaftler sagen uns, dass diese Entwicklung von Human-, Sozial- und Kulturkapital uns helfen kann, Ungleichheiten zu verringern und Wachstum zu fördern. Ich möchte gerne ein paar Prinzipien vorschlagen, über die wir nachdenken könnten. Prinzipien, die möglicherweise notwendig sind für effektivere internationale Kulturbeziehungen und für einen Teil der Arbeit, die getan werden muss:

  • Netzwerkfähigkeit: Netzwerkfähigkeit gibt es auf allen Ebenen. Sport kann Menschen, Städten und Ländern Möglichkeiten bieten, sich zu vernetzen und miteinander zu kommunizieren. Wir müssen uns einen Überblick verschaffen über gesellschaftliche Veranstaltungen und Begegnungen, die sich um die Olympischen Spiele oder Commonwealth Games, überhaupt um internationale Sportereignisse herum ereignen, bis hin zur Analyse von Kommunikation über Sport in sozialen Medien. Wir brauchen ein Verständnis davon, was wo, wann und wie funktioniert. Sicherlich ist Edinburgh nicht das einzige Beispiel, aber einige der Arbeiten, die Informatiker in Edinburgh erledigt haben durch die Analyse von Twitter-Kommunikation zum Thema Sport, sind wirklich erhellend.
  • Beziehungen: Durch den Sport und aufgrund des Sports bilden sich Beziehungen. Sport hilft ausländischen Führungsfiguren, sich zu treffen, Beziehungen zu knüpfen – oftmals in eher informellen Umfeldern –, aber solche Beziehungen werden mit der Zeit aufgebaut. Sie sind womöglich nicht transaktional, beruhen vielleicht nicht einmal auf Gegenseitigkeit oder Vertrauen, können aber nichtsdestotrotz hilfreich sein. Durch den Aufbau nachhaltiger Beziehungen können Länder auf verschiedensten Ebenen miteinander kommunizieren.
  • Gegenseitigkeit und Vertrauen: Sport kann dabei helfen kann, Gegenseitigkeit und Vertrauen aufzubauen, aber es gibt genügend Belege dafür, dass die Beteiligung an und durch den Sport zu mehr Sozialkapital führen kann. Morrows Arbeit zur gegenseitigen Eigentümerschaft von Sport-Clubs ist dafür ein gutes Beispiel.
  • Einfluss: Dies ist der Weg der Soft Power und der Public Diplomacy, bei dem der Sport helfen kann, Ergebnisse zu ermöglichen, einzuholen und zu erleichtern. Für gewöhnlich geschieht dies in eine Richtung und ist angelehnt an die Außenpolitik eines Landes oder an die Schlüsselbotschaften, die es zu einer bestimmten Zeit vermitteln will. Es geht darum, Risiken zu reduzieren, indem man zuhört und Einfluss nimmt auf das Risiko für Konflikte oder verstärkte Spannungen.
  • Interkulturelle Fähigkeiten und Wahrnehmungen: Bei wirksamen internationalen Kulturbeziehungen geht es auch um Wahrnehmung und Projektion. Sport hilft dabei, den Einfluss der Globalisierung auf die Kultur und den Einfluss der Kultur auf die Globalisierung zu verstehen. Wir müssen fragen, wie die Sprache des Sports oder das interkulturelle Werkzeug, das der Sport darstellt, dabei hilft, mit dem anderen zu sprechen. Wie entwirft Sport das Bild eines Orts und wie sehen es andere, wie reagieren sie darauf?

 

Menschen jubeln und schauen sich gemeinsam ein Fußballspiel im Stadion an.
Sport kann bei globalen Spannungen helfen und, was vielleicht noch wichtiger ist, Freunde gewinnen, Foto: James Kirkup via unsplash

Die Botschaft der Stadt Glasgow 2014 waren freundliche Commonwealth Games, während die Botschaft des Commonwealth durch Glasgow in Humanität, Vielfalt und Gleichberechtigung bestand. Bei den Kulturbeziehungen geht es auch um Außenpolitik und darum, was ausländische Diplomaten heute wissen müssen, um ihren Job effektiv ausüben zu können. Verstehen sie, was der Sport leisten kann und was nicht?

Ich möchte die Arbeit eines walisischen Autors und Wissenschaftlers erwähnen sowie eine kanadische Aktivistin und Vertreterin des Humanitätsgedankens. Der Waliser ist nicht mehr unter uns, doch Raymond Williams beschrieb eine wichtige Intervention in den 1990er Jahren unter dem Titel „Ressources of Hope“ (1991), wo er sich für die Notwendigkeit von Verbindlichkeit einsetzte.

Er meinte, dass Künstler, Schriftsteller und Akademiker ihre Freiheit mit ihrer Pflicht, anderen zu helfen, in Einklang bringen müssen. Er nannte das die Kunst des Möglichen. Sport kann die Kunst des Möglichen möglich machen, auf so viele Arten, und wir sollten dies voll und ganz ausnutzen.

Die Kanadierin Samantha Nutt, eine der kühnsten Stimmen im humanitären Feld, Gründerin von „War Child“ und Autorin von „Damned Nations“ (2013), einem Buch von ungewöhnlicher Kraft, verwies unter anderem auf steigende Bildungsniveaus und den Anteil der Frauen in einigen der herausforderndsten Umstände weltweit. Nutts Arbeit umfasst Jahrzehnte der Suche nach Anworten, was getan werden kann und sollte, um Communitys und Ländern, die sich in Konflikten befinden, zu helfen. Und sie beschreibt die gut gemeinten Interventionen, die misslungen sind.

Sie erinnert uns daran, dass es sehr viel Resilienz, Mut und Stärke in Ländern und Communitys gibt, in denen man sie aufgrund von erlittenen Grausamkeiten nicht erwartet. Und sie erinnert daran, dass es für jene, die etwas bewegen wollen, nicht um gut gemeinte Interventionen geht, sondern darum, die Kunst des Möglichen möglich und nachhaltig zu machen. Darüber hinaus gibt es einen beeindruckenden Werkkomplex, der darauf verweist, welche Rolle der Sport dabei spielt, für einen gewissen Grad an Normalität im Leben von Asylbewerbern zu sorgen, wenn alles um sie herum seltsam und unsicher erscheint.

Oder, wie ein früherer Uno-Generalsekretär erklärte: „Das verborgene Gesicht des Sports, das sind auch die Zehntausende von Enthusiasten, die in ihren Fußball-, Ruder-, Leichtathletik- und Klettervereinen einen Ort für Begegnung und Austausch finden, aber vor allem einen Trainingsplatz für das Leben in der Gemeinschaft.“

Sport kann zweifellos eine Rolle spielen in der Kultur- und Außenpolitik. Das ist aber nichts Neues. Und egal, ob Sport nun gesehen wird als Krieg ohne Waffen, als Mittel der Hard oder Soft Power oder als Werkzeug, dessen sich die Vereinten Nationen bedienen können, um Konflikte zu lösen und Resilienz wiederherzustellen, brauchen wir eine neue Herangehensweise – nicht nur für den Teil, den der Sport für die internationalen Kulturbeziehungen spielt, sondern für die internationalen Kulturbeziehungen selbst.

Sport wird die Probleme der Welt nicht lösen, aber er kann dabei einen wirksamen Beitrag leisten. Die globale Balance der Macht ist in einem angespannten Zustand und in einem Wandel begriffen. Länder wie Städte brauchen effektive internationale Kulturbeziehungen und diese sollten den Sport miteinbeziehen. Sport kann bei globalen Spannungen helfen und, was vielleicht noch wichtiger ist, Freunde gewinnen.

Bei den Kulturbeziehungen geht es auch um Außenpolitik und darum, was ausländische Diplomaten heute wissen müssen, um ihren Job effektiv ausüben zu können.

Mein Anliegen war es, herauszuarbeiten, dass man bei der Gestaltung der internationalen Kulturbeziehungen über Gegenseitigkeit, Vertrauen und Kooperation nachdenken sollte. Die heutigen Diplomaten, Staatsdiener, Aktivisten und Universitäten sollten den Sport voll und ganz nutzen. Wir sollten neu überdenken und kontinuierlich evaluieren, was internationale Kulturbeziehungen heute bedeuten, und wie solche Beziehungen dabei helfen können, die Kunst des Möglichen möglich zu machen. Dabei spielt der Sport meiner Meinung nach eine große Rolle.

Über den Autor
Grant Jarvie

Grant Jarvie ist Professor an der Universität von Edinburgh und ein ehemaliger Konrektor und Rektor. Er ist der Autor des Buchs „Sport, Culture and Society”, das 2016 von Routledge veröffentlicht wurde (Koautor Hector Macki).

Kulturreport Fortschritt Europa

Der Kultur kommt im europäischen Einigungsprozess eine strategische Rolle zu. Wie steht es um die Kulturbeziehungen innerhalb Europas? Wie kann Kulturpolitik zu einer europäischen Identität beitragen? Im Kulturreport Fortschritt Europa suchen internationale Autor:innen Antworten auf diese Fragen. Seit 2021 erscheint der Kulturreport ausschließlich online.