Das Interview führte Juliane Pfordte
ifa (Institut für Auslandsbeziehungen): Frau Nickels, Sie sind eine der Protagonistinnen im Dokumentarfilm Die Unbeugsamen aus dem Jahr 2021. Der Film porträtiert mutige Frauen wie Sie, die in der Bonner Republik für politische Gleichberechtigung und Anerkennung kämpften. Würden Sie sich selbst auch als „unbeugsam“ beschreiben?
Christa Nickels: Das kommt darauf an. Wenn es um wesentliche Punkte geht, wo Lebenspraxis, Kopf und Herz sagen, da stehe ich und da gehe ich nicht beiseite, bin ich durchaus unbeugsam. Aber wenn man immer unbeugsam ist, ist man halsstarrig. Ich bin schon fähig, mich zu biegen, um etwas zu erreichen, aber ich verbiege mich nicht.
Diese Standhaftigkeit war auch notwendig, um sich im Bundestag der 80er-Jahre als Frau Gehör zu verschaffen. Die Archivaufnahmen im Film zeigen, wie unverhohlen und offenkundig weibliche Abgeordnete beleidigt, verachtet und sexuell diskriminiert wurden. Wie sind Sie persönlich damit umgegangen?
Nickels: Als wir Grüne uns gegründet haben, war es eine tägliche Erfahrung, dass man von den anderen Parteien niedergemacht wurde. Vor allem durch die Frauenbewegung, die ja eine unserer Gründungsströmungen war, waren wir es gewohnt, durchsetzungsstark zu sein. Egal, was sie anpackten oder welche Fakten sie vorbrachten, es wurde nicht ernst genommen. Ich will ein drastisches Beispiel erzählen. In meiner Zeit im Rechtsausschuss war ich die einzige Frau. Als ich dort Vergewaltigung in der Ehe einbrachte, die damals noch straffrei war, sagte ein Kollege, der sich stundenlang hinter seiner BILD-Zeitung verschanzt hatte, ich solle mein Valium nehmen und mich in psychiatrische Behandlung begeben. Und der Ausschussvorsitzende sagte keinen Ton dazu! Auch im Plenum waren unflätige Sprüche und Proteste bei frauenpolitischen Themen von den männlichen Kollegen das tägliche Brot. Ich habe für mich aber trotzdem den Weg gewählt, nie die Person zu attackieren, sondern stets knallhart in der Sache zu argumentieren. Ein argumentativ hart geführter Streit führt bestenfalls dazu, dass beide Seiten weiterkommen.