Dieses schwierige Thema verdient eine vorsichtige Erklärung. Die „Share Economy“ bietet nur die Echtzeit-Vorteile von informellen oder Schattenwirtschaften, wie man sie bisher nur in Entwicklungsländern, vor allem in Slums gefunden hat. Jetzt haben wir sie in die entwickelte Welt importiert, und junge Menschen lieben sie, weil das Gefühl des Teilens so sympathisch ist. Doch die Menschen bleiben nicht für immer jung. Manche werden krank oder sie müssen für ihre Kinder, Partner oder Eltern sorgen. Wir können nicht bei jeder Mahlzeit „für unser Essen singen“. Weil die Realität anders aussieht, muss die Share Economy letztendlich als Täuschungsritual der Todesverleugnung verstanden werden.
Biologischer Realismus ist der Hauptgrund, aus dem regulierte Wirtschaften sich überhaupt herausgebildet haben. Wenn wir mit der Share Economy einerseits den Schutz, den Gewerkschaften bieten, aushebeln, und Regierungen in langfristige Muster von Austerität oder Sparpolitik und Schuldenkrisen zwingen, wer wird sich dann um die Bedürftigen kümmern?
Manchmal frage ich mich, ob die jüngeren Leute in der entwickelten Welt angesichts des unvermeidlichen Ansturms der demographischen Alterung nicht die Verlagerung zur digitalen Technologie unbewusst benutzen, um den erdrückenden Verpflichtungen gegenüber der wachsenden Zahl der Alten zu entkommen. Die meisten Länder der entwickelten Welt müssen sich in den kommenden Jahrzehnten mit diesem demografischen Wandel auseinandersetzen. Vielleicht haben die Jungen recht, wenn sie sich zu retten versuchen, aber es bleibt das Problem, dass auch sie eines Tages alt und bedürftig sein werden, denn so ist die conditio humana.
Die egoistische Illusion der Unfehlbarkeit taucht immer wieder auf – der größte Serienschwindler unserer Zeit – und macht die intelligentesten, wohlmeinendsten technologischen Köpfe zum Teil des Problems statt zum Teil der Lösung.
Innerhalb der winzigen Elite der Milliardäre, die die Cloud-Computer betreiben, herrscht der laute, zuversichtliche Glaube, dass die Technologie sie eines Tages unsterblich machen wird. Google zum Beispiel finanziert eine große Organisation mit dem Ziel, „den Tod zu überwinden“. Und es gibt viele Beispiele mehr. Ich kenne einige der Hauptbeteiligten der Anti-Tod- oder posthumanen Bewegung, die im Herzen der Silicon-Valley-Kultur sitzt, und ich bin der Ansicht, die meisten von ihnen leben in einer Traumwelt, die weit weg von jeder rationalen Wissenschaft ist. Es sind auch ein paar gute Wissenschaftler dabei, einfach nur wegen der Finanzierung; Geld kommt in der Wissenschaft heute oft von merkwürdig motivierten Quellen, und ich würde es ihnen nie zum Vorwurf machen.
Die Arithmetik ist klar. Falls die Unsterblichkeits-Technologie, oder auch nur eine Technologie der drastischen Lebensverlängerung zu funktionieren beginnt, müsste sie entweder auf die kleinste Elite beschränkt bleiben oder wir müssten aufhören, Kinder in die Welt zu setzen, und in eine unendlich fade Gerontokratie übergehen. Dies sage ich, um hervorzuheben, dass in der digitalen Technologie häufig das, was radikal scheint – was auf den ersten Blick wie kreative Zerstörung wirkt –, sich in Wirklichkeit, wenn es tatsächlich umgesetzt würde, als hyperkonservativ und unendlich fade und langweilig herausstellt.
Eine weitere populäre Idee ist, unser Gehirn in die virtuelle Realität „upzuloaden“, damit wir für immer in einer Software-Form weiterleben könnten. Und das trotz der Tatsache, dass wir noch nicht einmal wissen, wie das Gehirn funktioniert. Wir wissen nicht, wie Ideen durch Neuronen repräsentiert werden. Wir stellen Milliarden von Dollar bereit, um das Gehirn zu simulieren, dabei kennen wir jetzt noch nicht einmal die grundlegenden Prinzipien, nach denen es funktioniert. Wir behandeln Hoffnungen und Glaube, als wären sie etablierte Wissenschaft. Wir behandeln Computer wie religiöse Objekte.
Das Muster, das wir heute sehen, ist nicht das einzig mögliche Muster, es ist nicht unabwendbar.
Wir müssen uns überlegen, ob Fantasien von maschineller Gnade lohnenswert sind. Denn wenn wir den Fantasien von künstlicher Intelligenz widerstehen, können wir zur neuen Formulierung einer alten Idee kommen, die in der Vergangenheit viele Formen hatte: „Humanismus.“ Der neue Humanismus ist, wie früher, der Glaube an den Menschen, doch speziell in der Form einer Ablehnung von künstlicher Intelligenz. Das hieße nicht, irgendeinen Algorithmus oder roboterhaften Mechanismus zu verwerfen. Jeder einzelne vermeintlich künstlich intelligente Algorithmus kann genauso gut als nicht-autonome Funktion verstanden werden, die dem Menschen als Werkzeug dient.
Diese Ablehnung gründet nicht auf dem irrelevanten Argument, das häufig vorgeschoben wird, nämlich den Grenzen der Möglichkeiten, sondern vielmehr darauf, dass es immer Menschen geben muss, um einen Computer wahrzunehmen, damit er überhaupt existiert. Ja, ein Algorithmus kann mit den Daten aus einer Cloud, die von Millionen und Abermillionen von Menschen erhoben wurden, eine Aufgabe verrichten. Man sieht die Flachheit von Computern auf praktischer Ebene an ihrer Abhängigkeit von einer verborgenen Masse anonymer Menschen, oder einer tieferen epistemologischen: Ohne Menschen sind Computer Raumwärmer, die Muster erzeugen. Wir müssen uns nicht darüber einigen, ob im Menschen ein göttliches Element vorhanden ist oder nicht, noch müssen wir entscheiden, ob gewisse „Grenzfälle“ wie die Bonobos als Menschen betrachtet werden sollten. Noch müssen wir absolute Urteile über die letztendliche Natur von Menschen oder Computern abgeben.