Und obwohl Religion ein Bestandteil der Kultur ist, kann sie die Gewalt neu aufleben lassen und an ihre jeweiligen Bedingungen und Anforderungen anpassen, denn sie ist heilig und absolut.
Ich erinnere mich daran, dass die ägyptische Regierung in den 1970er Jahren lebende Schafe aus Bulgarien importierte, die als Opfergaben für das islamische Opferfest verkauft und geschlachtet werden sollten, gemäß der Geschichte des Propheten Ibrahim und seines Sohnes Ismail. Doch die Menschen in Ägypten weigerten sich trotz des billigeren Preises der bulgarischen Schafe, diese Tiere zu kaufen oder zu schlachten, da Bulgarien ein kommunistisches Land war und seine Bewohner Ungläubige. Man machte Witze über diese Schafe, die sich auch äußerlich von den ägyptischen Schafen unterscheiden.
Ein anderes Beispiel: Abgesehen vom Zweiten Weltkrieg, als die Briten Inder in die Truppen ihrer Armee aufnahmen und Ägypten und Indien Kolonien der britischen Krone waren, hatten die Ägypter keinen Kontakt mit Indern. Doch früh beschrieben Ägypter Inder als dumm, nachdem sie festgestellt hatten, dass Inder Heiden waren, die Kühe als heilige Tiere verehren. Diese Situation steht scheinbar in einem religiösen Kontext, hat aber einen kulturellen Kern – nämlich die Feindseligkeit gegenüber der britischen Herrschaft. Das religiöse Thema ist tatsächlich kultureller Natur.
Kulturelle Referenzpunkte, die durch die Religion beeinflusst sind, liefern ein perfektes Beispiel dafür, wie Konflikte geschürt werden.
Juden dachten, dass sie das von Gott erwählte Volk sind, und Muslime waren stolz darauf, die beste Nation zu sein, die zu den Menschen hinausgeht, aber sie nannten jeden, der nicht Arabisch sprach, absonderlich. Auch Perser wurden absonderlich genannt, obwohl sie den Arabern im Mittelalter kulturell überlegen waren.
Jeder politische, wirtschaftliche oder militärische Konflikt wird von kulturellen Ideen angetrieben und genährt.
Arabische Historiker kategorisieren die Revolution und die Konflikte über wirtschaftliche und soziale Themen, welche die Perser gegen den arabischen islamischen Staat starteten, als rassistische Revolutionen gegen die islamische Religion. Diese Revolutionäre seien moralisch verkommen, hieß es, sie führten sexuelle Beziehungen und akzeptierten öffentliche Beziehungen, welche die Religion verbietet. Zudem seien sie selbst Ungläubige. Genau solche Gedanken nutzte Jahrhunderte später auch die englische Besatzungsmacht in Ägypten, um das Volk gegen den Kommunismus und die Kommunisten aufzubringen.
Und das wirkt bis heute noch nach: Ähnlich ging der politische Islam gegen die zivile säkulare Bewegung vor, nachdem die Revolution des 25. Januar 2011 einsetzte, während der ersten Parlamentswahlen und des Referendums über die Verfassungsartikel, die nach der Revolution formuliert wurden. Jeder, der säkular ist, war demnach ein Ungläubiger und von Natur aus moralisch verkommen. Durch die Wahlen zeigten die Islamisten, dass derjenige, der die Verfassungsartikel befürwortet, die im Sinne ihrer Interessen verändert worden waren, in den Himmel kommt, aber derjenige, der ihnen nicht zustimmt, in die Hölle fährt.