Das schwarz-weiß Foto zeigt einen Sprinter mit Handycap bei den Paralympics in Rio 2016.

Eine Frage der Governance

Sport kann über ethnische und kulturelle Grenzen zur Stärkung der Identität und des eigenen Selbstverständnisses beitragen. Doch welche Verantwortung hat der globale Sport für die Gesellschaft als Ganzes?

Es sind nun viele Jahre vergangen, seit der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan 2005 zum Internationalen Jahr des Sports und der Sporterziehung erklärte, was einen Impuls dafür gab, den Sport in die Politik und die Programme der „United Nations Organization“ (Uno) einzubeziehen. Zahlreiche Akteure stellten sich der Herausforderung, den Sport ins Zentrum einer globalen Agenda gesellschaftlicher Transformation zu rücken. Sport nimmt einen prominenten Platz auf der Entwicklungsagenda nach 2015 ein, zum einen angeleitet durch die Millenniumsentwicklungsziele, zum anderen durch die Ziele für nachhaltige Entwicklung.

Sport erschien als kostengünstiger Weg, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Dabei wurde die Jugend der Welt als Agent der Veränderung auserkoren. Akademiker und Agenturen begannen das Feld zu sondieren, um etwas Ordnung und Verständnis hineinzubringen, machten aber kaum Fortschritte, da Forschungsergebnisse in allen Ecken der Welt auftauchten.

Behörden für die Umsetzung schlossen Verträge mit Gutachtern und Beweise sammelten sich in einer erstaunlichen Geschwindigkeit an. Der britische Sportsoziologe Fred Coalter übte (in seinem Buch „Sport for Development. What game are we playing?“) scharfe Kritik und warnte: „Hoffnung ist kein Plan.“ Er stellte den Wert des Sports als alleinige Strategie im Umgang mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Themen und diskriminierenden Systemen infrage.

Gastgeberstädte und Regierungen proklamierten indes eine Vielfalt an mit Sport verbundenen sozioökonomischen Vorteilen. Sie stellten entsprechende Projekte als sinnvollen Beitrag für die Gerechtigkeit dar, indem Zugang zu Sport als Teil einer Menschen- (und Kinder-)Rechtsagenda ermöglicht wird. Die Fifa-Weltmeisterschaft 2010 und die für 2022 geplanten Commonwealth-Spiele in Südafrika sowie die Olympischen Spiele in Rio, Brasilien, 2016 sind in dieser Hinsicht leuchtende Beispiele.

Sport für die Welt

Die Entwicklung der Rhetorik vom Nationalen hin zum Globalen zeigt sich auch im Vergleich der Olympischen Spiele 2004 in Athen und 2008 in Peking, die sich noch stark auf nationale Entwicklung und Nationalismus fokussierten, mit den Olympischen Spielen in London 2012, die durch ihr Programm International Inspiration einen weltweiten Zugang zu Sport versprachen.

Jenseits oft verwirrender und ineinander verschränkter öffentlicher Diskurse waren viele Programme zur Entwicklung durch Sport weiterhin kontrolliert und abhängig von Sponsoren. Ein ungleicher Zugriff auf Macht und Ressourcen zeichnete im Kern weiterhin viele Programme aus, in denen Ergebnisse geschickt vermittelt werden, um auf vorgefasste Indikatoren zu reagieren.

Sport erschien als kostengünstiger Weg, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Dabei wurde die Jugend der Welt ausersehen als Agent der Veränderung.

In der Stellungnahme des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) zur Entwicklungsagenda nach 2015 sind sechs Ziele für nachhaltige Entwicklung festgelegt, bei denen Sport (von der Grassroots bis zur Elite-Ebene) genutzt wird, um etwas zu bewegen. Sportagenturen sollen Sport auf verschiedene Arten und an unterschiedlichen Schauplätzen nutzen, um

  • eine gesunde Lebensweise zu gewährleisten und Wohlergehen für alle in allen Altersgruppen zu fördern (Ziel 3);
  • inklusive und hochwertige Bildung zu garantieren und Möglichkeiten für lebenslanges Lernen für alle zu fördern (Ziel 4);
  • Gendergerechtigkeit zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zu stärken (Ziel 5);
  • Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu machen (Ziel 11);
  • friedliche und inklusive Gesellschaften für nachhaltige Entwicklung zu fördern, Gerechtigkeit für alle zu ermöglichen und effektive, verlässliche und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen (Ziel 16) sowie
  • die Mittel der Implementierung zu stärken sowie die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung zu revitalisieren (Ziel 17).

Globale und nationale Sportorganisationen reagierten und legten ein anderes Tempo vor. Gestartet wurden etwa das Fifa-Projekt Football for Hope sowie das Programm Sport for Hope des IOK. Letzteres beinhaltet zwei Entwicklungszentren für die olympische Jugend in Zambia und Haiti (siehe IOK-Agenda 2020) sowie Förderprogramme für „Olympafrica“-Zentren in sozioökonomisch anfälligen Communitys einzurichten, um entrechteten Kindern und Jugendlichen einen offenen Zugang zu sportlicher Betätigung zu ermöglichen. Solche Zentren bieten, ergänzend zu den olympischen Ausbildungsinitiativen des IOK, zusätzliche von der Community gesteuerte Programme.

Innerhalb des Kontexts der Menschenrechte wurden die Möglichkeiten für sportliche Beteiligung, Führungspositionen und die Stärkung von Mädchen und Frauen zu einer strategischen Priorität innerhalb der Sport-Bruderschaft. Regierungen betonten den Beitrag von Sport und körperlicher Aktivität zur Gesundheit ihrer Bürger. Sie verfolgen meist einen Top-down Ansatz, um sicherzustellen, dass vorrangige Sportarten, Erholungseinrichtungen und Aktivitäten durch Sporterziehung, Schulsport und/ oder Community-basierte Einrichtungen angeboten werden. Sie formulieren politische Rahmenwerke und Visionen, um auf vielfältige Art und Weise für eine „gewinnende“ und „gesunde Nation“ zu sorgen.

Sport allein kann Gewalt oder Konflikte nicht verhindern und auch keinen Frieden herstellen, doch er spielt eine Rolle als Bestandteil eines integrativen Ansatzes. Von Konflikten oder Krieg traumatisierten Jugendlichen und Kindern hilft die sportliche Beteiligung in sicheren Räumen dabei, ihr Leben im Rahmen eines Heilungsprozesses zu normalisieren.

Jenseits oft verwirrender und ineinander verschränkter öffentlicher Diskurse waren viele Programme zur Entwicklung durch Sport weiterhin kontrolliert und abhängig von Sponsoren. Ein ungleicher Zugriff auf Macht und Ressourcen zeichnete im Kern weiterhin viele Programme aus, in denen Ergebnisse geschickt vermittelt werden, um auf vorgefasste Indikatoren zu reagieren.

Viele Programme haben aufgrund von sportlicher Beteiligung und Freizeitbeschäftigungen sektorenübergreifende Vorzüge. So sieht ein ganzheitlicher Ansatz aus mit miteinander zusammenhängenden Auswirkungen, etwa Verbesserungen für Gesundheit und Bildung, soziales Kapital, Engagement gegen Ungleichheit, erhöhte Sicherheit der Community sowie nachhaltige Umweltaspekte.

Kriminalitätssenkende Interventionen

Es ist nicht leicht, die Effektivität kriminalitätssenkender Interventionen zu messen, da viele Wirkungen von Programmen nicht wissenschaftlich überprüft werden. Es gibt jedoch Belege für die positiven Auswirkungen von Sport und körperlicher Aktivität auf antisoziales Verhalten. Verschiedene Programme und Praktiken beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Missständen und Verhaltensweisen, mit Kriminalität, Drogenkonsum, Suizid/Autoaggression/Selbstverletzung, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, mentaler Gesundheit, Abwesenheit in der Schule und Schulabbruch. Diese Verhaltensweisen werden, im Vergleich zu bestehenden sozialen (idealen) und weithin akzeptierten Normen, innerhalb eines gesellschaftlichen Kontexts als abweichend betrachtet.

Das in den Sport im Sinne von körperlicher Aktivität investierte Geld ergibt vielfältige Gewinne: mehr Gesundheit, weniger Nachfrage nach Gesundheitsleistungen, insbesondere in der alternden Bevölkerung, verbesserte Produktivität, wirtschaftliche Regenerierung, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten und, was am wichtigsten ist, ein höheres nationales, regionales und lokales Bruttoinlandsprodukt. Bedenkt man die potenziellen Einsparnisse für die Wirtschaft und die Gewinne für die Gesundheit bei einer gesteigerten körperlichen Aktivität, macht es in wirtschaftlicher Hinsicht viel Sinn, sehr früh einen aktiven Lebensstil zu fördern.

Der messbare Beweis für den wahrgenommenen und oftmals weithin propagierten Nutzen von Großveranstaltungen ist relativ klein und oftmals unbegründet – insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung. Positive Effekte der Ausrichtung internationaler Sportereignisse beziehen sich auf mögliche sportspezifische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Vorteile. Zu den sportspezifischen Vorteilen zählen Ressourcen für bestimmte Sportarten und Lernangebote sowie Erfahrungen für Sportler, Funktionäre, Trainer und Freiwillige.

Zu den wirtschaftlichen Nebeneffekten zählen neue Arbeitsplätze, regionale Entwicklung, Tourismus, Exporte, Infrastruktur und Steuereinnahmen. Mit den sozialen Vorteilen sind der Zugang zu Training und die Teilnahme gemeint. Zu den kulturellen Gewinnen zählt man unter anderem die Zurschaustellung einer einzigartigen kulturellen Identität und eine größere Anerkennung weltweit.

Nicht alle Wirtschaftswissenschaftler sind aufgrund der relativ kurzen bis mittelfristigen Einschätzungen von den nachhaltigen Effekten der Erneuerung von Gastgeberstädten überzeugt. Eine Veranstaltung kann vielleicht ein nützlicher Auslöser sein, der eine Erneuerung zu finanzieren hilft, aber für einen sinnvollen Effekt sollte sie Teil einer langfristigen Entwicklungsstrategie sein, einer größeren Vision der Stadterneuerung und nachhaltigerer Pläne für die weitere Nutzung von Sportstätten.

Unausgelastete Einrichtungen und steigende Instandhaltungskosten verursachen noch viele Jahre nach dem Event Kosten für den Steuerzahler. Für die Olympischen Spiele in London 2012 hat man aus den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und den Olympischen Sommerspielen in Athen 2004 seine Lektionen über kostspielige Infrastruktur-Entwicklung gelernt.

Wachsende Bedeutung des Globalen Südens

In ihrer Rolle als Gastgeber der Fifa-Weltmeisterschaft 2010 wurden Südafrika und Afrika als Sportmächte wahrgenommen, als Beweis für die wachsende Bedeutung des globalen Südens. Es war eine symbolische Auszeichnung und ein Beleg der Nähe des Gastgeberlands zu den Topnationen der Welt. Einige Großstadtgemeinden entwickelten spektakuläre Stadien und Infrastruktur und verbesserten so das Image ihrer Städte.

Der Multiplikationseffekt des wirtschaftlichen Nutzens wird oft infrage gestellt. Kosten-Nutzen-Studien wurden auf verschiedenen Ebenen durchgeführt, auf der Ebene der Stadt, der Region und des Landes. Bei den Ausgaben von ausländischen Touristen und Besuchern aus dem Land ist schwer zu kalkulieren, ob die Ausgaben direkt mit dem Großereignis zu tun haben, und was an Profiten verloren geht. Die Inflation von Preisen für die Dauer des Events strapazieren unter Umständen die vorhandenen Kapazitäten für Unterkünfte, Transport und andere benötigte Dienstleistungen. Zudem können Preise ohne nachhaltige wirtschaftliche Vorteile für Betreiber in den Gastgeber-Städten künstlich nach oben gehen.

Der Verdrängungseffekt, dass nämlich Menschen die Region in der Zeit der Großveranstaltungen verlassen, die begrenzte Kapazität der Luftfahrt sowie die kritische Analyse von Multiplikationskoeffizienten müssen bei der Kalkulierung wirtschaftlicher Konsequenzen berücksichtigt werden.

Für lokale Veranstaltungen und Großereignisse produzieren tausende Freiwillige ein beträchtliches kulturelles Kapital, das wiederum wirtschaftliche und soziale Vorteile bringen kann. Gleichwohl wurde es nicht hinreichend gemessen, um einen langfristigen Nutzen auf der individuellen sowie auf der Stadt-Ebene zu belegen.

Für lokale Veranstaltungen und Großereignisse produzieren Tausende Freiwillige ein beträchtliches kulturelles Kapital, das wiederum wirtschaftliche und soziale Vorteile bringen kann.

Gastgeber von Veranstaltungen zu sein, führt nicht automatisch zu höherer Sportbeteiligung (Massenbeteiligung) oder zu nachhaltigem sportlichen Erfolg der Elite. Es lässt sich nicht eindeutig nachweisen, dass die Ausrichtung großer Sportereignisse langfristige Auswirkungen auf den Breitensport hat. Eine wachsende Beteiligung der Masse ist womöglich das Ergebnis einer stärkeren Berichterstattung über eine bestimmte Sportart oder es werden bereits Aktive zu einer bestimmten Sportart gebracht. Es sieht aber nicht so aus, als ob das Betrachten von Sport dazu führt, dass Menschen sich aktiv beteiligen.

Sport als Teil des Sozialisierungsprozesses

Ein bedeutender Beitrag zum globalen Sport ist im Bereich Bildung und Training zu finden. Bildung innerhalb und aufgrund des Sports gibt es in formellen und informellen Umgebungen. Formale Bildung bezieht sich vor allem auf ein speziell entworfenes Curriculum wie im Falle der Sporterziehung an Schulen, Lernzentren oder dritten Bildungseinrichtungen. Informelles Lernen wiederum ist Teil des Sozialisierungsprozesses, in dem Werte, Haltungen, Fähigkeiten und Wissen vermittelt werden. Dies kann in vielfältigen Bildungsumfeldern geschehen.

Eine Sporterziehung, die auch soziale Fähigkeiten fördert, trägt zudem konkret dazu bei, Fair Play zu erlernen, sowie wichtige Werte fürs Leben. Dies hilft, verletzende (anti-soziale) Verhaltensweisen zu reduzieren. Erfahrungen mit Teamarbeit verbessern die soziale Interaktion, Kommunikation und Führung. Erfahrungen mit vielfältigen Sportaktivitäten fördern Gesundheit und Fitness und bringen psychosoziale Vorteile. Vielfältige Sporterfahrungen, bei denen 50 Prozent des Unterrichts aus moderater bis intensiver körperlicher Aktivität besteht, sorgen nicht nur für Gesundheit und Fitness, sondern haben auch einen psychosozialen Nutzen.

Der globale Sport ist nicht demokratisch. Sport ist auf allen Ebenen ein Unterscheidungsmerkmal und weist gesellschaftliche Muster auf – von der Beteiligung bis zu den Besitzverhältnissen. Selbst auf der Graswurzel-Ebene benötigen Mädchen oft (männliche) Unterstützer, die es ihnen ermöglichen, an traditionell männlichen Sportarten teilzunehmen.

Sicherheitsprobleme und eine festgefahrene patriarchische Ideologie schränken die freie Beteiligung von Mädchen und Frauen an Sport auf allen Ebenen ein. Politische Strategien haben keine ausführende Agentur, um einen gleichberechtigten Zugang zu Sport für Jungen und Mädchen zu gewährleisten.

Die Situation verschärft sich oft noch, wenn Sportler spezialisiertes Coaching, spezielle Trainingsmöglichkeiten und sportwissenschaftliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen müssen. Gender und ein geringer sozioökonomischer Status erzeugen eine Zwickmühle, welche die Teilnahme und den Zugang zu Entscheidungspositionen innerhalb der Bruderschaft des Sports erschwert und sich negativ auf gesellschaftliche Bereiche auswirkt.

Mentale Schubladen

Zu einer ähnlichen Entrechtung bestimmter ethnischer Bevölkerungsgruppen kommt es in Kontexten, in denen Armut mit einem bestimmten ethnischen Profil zusammenfällt. Dies ist auch der Grund für die Überrepräsentierung bestimmter ethnischer Gruppen, zum Beispiel von Afroamerikanern im Basketball oder beim Boxen und von weißen Teilnehmern in Sportarten wie Segeln und Schwimmen. Solche mentalen Schubladen führen Stereotype fort: Weiße Spieler werden als Entscheider bevorzugt, schwarze Spieler für ihre Schnelligkeit und ihre athletischen Fähigkeiten in Teamsportarten wie Rugby.

Ein anderes Muster gesellschaftlicher Schichtenbildung hat mit dem Konzept „Fähigkeit“ versus „Behinderung“ zu tun. Letzteres meint eine körperliche Beeinträchtigung, die funktionale Grenzen setzt. Menschen als „behindert“ oder als Sportler mit Behinderungen zu klassifizieren, impliziert ein Ranking-System, das in allen Sportarten auf Fähigkeiten basiert, sich aber auch auswirkt in einem Vergleich von Menschen mit und ohne „fähige“ oder „normative“ Körper. In Gesellschaften, in denen junge und fähige Körper zum Ideal erhoben werden, werden beeinträchtigte Körper innerhalb einer normativen Kategorie, wie etwa ältere und behinderte Menschen, unter Umständen marginalisiert und diskriminiert.

Seit den ersten Paralympischen Spielen 1948 verändert sich die Wahrnehmung der Menschen auf der ganzen Welt insofern, als dass unterschiedliche Kompetenzen positiver gesehen werden. Die erstaunlichen Leistungen der Paralympiker veränderten das medizinische Modell (ein Fokus auf Beeinträchtigungen) und das Verständnis dessen, was als „normal“ gilt. Erfolgreiche Medienkampagnen machten die Paralympiker und die entsprechenden Wettkämpfe derart populär, dass die Paralympics 2012 mehr Tickets verkauften als die Olympischen Spiele in London. Zudem durchbrachen südafrikanische Sportler Grenzen, indem sie gegen nichtbehinderte Sportler antraten (zum Beispiel Natalie du Toit und Oscar Pistorius). Der Körper mit anderen Kompetenzen setzte eigene Normen und Standards.

Die Special Olympics, die Sportarten für Menschen mit geistigen Behinderungen anbieten, sind zu einem globalen Unternehmen geworden. Es fördert Forschung, baut unterstützende Communitys auf und bietet verschiedene Bildungsprogramme an (www.specialolympics.org/mission.aspx).

Die Special Olympics fördern jährlich rund 50.000 Wettbewerbe und waren bei den Sommerspielen 2011 in Athen, Griechenland, Gastgeber für 7.500 Sportler aus 185 Nationen. Die Geschichten der Menschen bei den Special Olympics und die erstaunlichen körperlichen Leistungen von Sportlern mit Behinderungen wie auch ihr Einsatz technologischer Neuerungen (etwa speziell entwickelter „Rennstühle“ und prothetischer „Stelzen“) begeisterten und trugen dazu bei, die Wahrnehmung von Fähigkeit zu verändern.

Sportler und Elitesportler prägen ein Bild von Jugendlichkeit und optimaler sportlicher Kompetenz, während von älteren Personen angenommen wird, sie seien nicht in der Lage, voll und ganz an Mainstream-Aktivitäten teilzunehmen. Studien zur sportlichen Beteiligung von Menschen über 50 Jahren sind verhältnismäßig selten – und das, obwohl Menschen über 60 die weltweit am stärksten wachsende Gruppe sind.

Der globale Sport ist nicht demokratisch. Sport ist auf allen Ebenen ein Unterscheidungsmerkmal und weist gesellschaftliche Muster auf – von der Beteiligung bis zu den Besitzverhältnissen.

Mit dem Sport verbundene Veränderungen geschehen nicht automatisch. Das muss sorgfältig geplant, sozial entwickelt und professionell gemanagt werden. Deshalb haben Governance Themen inzwischen höchste Priorität für globale Sportagenturen, um hohe ethische Standards sicherzustellen, Korruption zu bekämpfen und Sportkarrieren wie Sportorganisationen zu professionalisieren. Globale Sportorganisationen werden zunehmend überprüft und fragwürdige Praktiken (sowie Individuen) öffentlich gemacht. Weniger wahrnehmbar ist eine solche Überprüfung auf der Ebene nationaler und lokaler Organisationen, in denen politische Agenden besonders einflussreich sind.

Die Wirkung des Sports auf die Gesellschaft als Ganzes hängt direkt von effektiven und fokussierten Programmen ab, die von dem Verständnis ausgehen, dass unter bestimmten Umständen positive Auswirkungen möglich sind, und zwar für bestimmte Bevölkerungsgruppen und in bestimmten Kontexten. Sport kann Städte verändern, aber keine Wunder wirken. Entwicklung ist ein umstrittenes und komplexes Phänomen. Deshalb müssen globale Sportagenturen immer noch wirkungsvolle gesellschaftliche Strategien und Programme entwickeln.

Über die Autorin
Cora Burnett
Professorin für Sportsoziologie und Forschungsmethodik

Cora Burnett ist Professorin für Sportsoziologie und Forschungsmethodik an der University of Johannesburg, Südafrika und Direktorin des UJ Olympic Studies Centre. Ihre Studien umfassen Folgenabschätzungen in den Bereichen Sport, Gesundheit, Bildung und Unternehmen, Projekte im Bereich Sport für Entwicklung und Frieden, sowie positive Jugendentwicklung und Gender Empowerment.

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