Alter Mann spielt Tennis.

Gesundes Alter

China ist ein altes Land. Seine Kultur, seine Philosophie sowie seine Geschichte von 5.000 Jahren weisen viele Wege, um gesund zu bleiben: Harmonie zwischen dem Körper und der Seele, Yin und Yang, Balance zwischen Bewegung und Ruhe. Heute nutzen auch immer mehr alte Menschen diese Traditionen.

Angesichts der starken Alterung der chinesischen Gesellschaft ist Sport ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Lebensqualität geworden, nicht nur für die alten Menschen selbst. Auch die chinesische Regierung und Gesellschaft setzen vermehrt auf den Sport, um die Volksgesundheit zu verbessern. China besitzt eine eigene traditionelle Bewegungskultur, die von den alten Menschen immer mehr angenommen wird.

Nach internationalen Standards spricht man immer dann von einer „alternden Gesellschaft“, wenn der Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen mehr als zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Ende 2005 erreichte die Zahl der über 60-Jährigen in China die 144 Millionen-Marke, das sind elf Prozent der Gesamtbevölkerung.

Bis zum Jahr 2020 wird der Anteil der über 60-Jährigen 248 Millionen betragen, das sind 17,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Höchststand von 437 Millionen, dies entspricht etwa 30 Prozent der Gesamtbevölkerung, soll im Jahr 2051 erreicht werden, so prognostizieren chinesische Experten. Geringe Kinderzahl und zunehmendes Lebensalter sind die wesentlichen Gründe der Alterung der Bevölkerung in China. Seit 1970 hat die Volksrepublik angefangen, die Kinderzahl zu beschränken. Bis 1980 galt die Anordnung des Staats, eine Familie dürfe nur ein Kind haben. Dies hat die Alterung in China verstärkt.

Eine alternde Gesellschaft

Um die Vergreisung der Gesellschaft zu verhindern, hat China im Jahr 2015 offiziell das Ende seiner Ein-Kind-Politik verkündet. Alle Paare dürfen seither zwei Kinder bekommen. Trotzdem können sich viele Eltern bei den stark gestiegenen Preisen für Wohnraum und Ausbildung schlicht kein zweites Kind leisten. Das wird sich auch mit dem Ende der Ein-Kind-Politik nicht ändern.

Seit Beginn der Wirtschaftsreformen wurden die restriktiven Haushaltsregistrierungen (Hukou) allmählich gelockert und mehr als 80 Millionen Wanderarbeiter, überwiegend junge Menschen, zogen in die Städte, um dort Geld zu verdienen. So entstanden sogenannte „leere Nester“, Dörfer, in denen nur noch die zurückgelassenen Alten leben. Die Zahl der über 60-Jährigen auf dem Land liegt heute schon bei über 60 Prozent.

Offizielle Prognosen gehen davon aus, dass diese Zahl jährlich um 850.000 zunehmen und in 20 Jahren die Zahl von 120 Millionen erreichen wird.

Die Beschränkung auf ein Kind in den Städten und zwei oder drei auf dem Land, die Ende der 1970er Jahre eingeführt wurde, hat zwar das Bevölkerungswachstum Chinas gebremst, doch gleichzeitig stellt sie die Alterspyramide auf den Kopf. Die Älteren können sich über die längere Lebenserwartung und einen bescheidenen Wohlstand, den Generationen vor ihnen nicht kannten, nicht unbedingt freuen. Die Rente ist nur für die wenigsten sicher. Nach dem chinesischen Gesetz ist das 60. Lebensjahr für Männer und das 55. Lebensjahr (teilweise bereits das 50.) für Frauen als Beginn des Ruhestands festgelegt.

China hat eine Bevölkerung von mehr als 1,33 Milliarden, aber nur etwa 30 Prozent von ihnen sind über die staatliche Rentenversicherung abgesichert. In China sieht das Versorgungssystem häufig noch vor, dass die Familie zur Altersversorgung verpflichtet ist, weil das Sozialwesen die Altersversorgung kaum unterstützt. Familienversorgung und Landwirtschaft sind nach wie vor die wichtigen Säulen der Altersversorgung auf dem Land.

Die Zahl der über 60-Jährigen auf dem Land liegt heute schon bei über 60 Prozent.

Doch mit der Modernisierung ändern sich die Lebensgewohnheiten. Die Gesellschaft ist mobiler geworden. Oft leben Eltern und erwachsene Kinder nicht mehr an einem Ort, und die modernen jungen Erwachsenen wollen auch nicht mehr unbedingt mit ihren Eltern zusammenleben. Immer mehr Ältere gehen in Altersheime.

Es gibt momentan über 50 Millionen Sport treibende alte Menschen in China. 36,50 Prozent der gesamten chinesischen Altersbevölkerung. Rund ein Drittel davon leben in der Stadt. Das bedeutet, es gibt dort 17 Millionen Sport treibende Senioren. Je entwickelter die Wirtschaft und Kultur einer Region sind, desto höher ist die Quote ihrer sportlich aktiven Bevölkerung. Studien der letzten Jahre ergaben, dass die chinesischen Sport treibenden Senioren relativ viel Zeit auf jede Trainingseinheit verwenden. Rund 80 Prozent der Sporttreibenden übt länger als eine Stunde pro Trainingseinheit. Durchschnittlich sind es 300 Übungsstunden im Jahr. Zusammenfassend kann man folgendes festhalten:

  • Männer und Personen mit einem höheren Bildungsabschluss betreiben häufiger Sport
  • Es wird häufig im privaten Rahmen und selbstorganisiert Sport getrieben
  • Mit zunehmender Bildung verlegen die Älteren einen großen Anteil des Sporttreibens in die Bereiche Sportverein/Kommune, Betrieb/Firma sowie kommerzielle Anbieter und Schul-/Hochschulsport
  • Parks, Straßen, Hinterhöfe und öffentliche Orten werden am häufigsten für sportliche Betätigung aufgesucht
  • Die Ausübung des Sports sollte nichts oder wenig kosten

Die traditionellen Sportarten und diejenigen, die von der chinesischen Bewegungskultur weiterentwickelt wurden, werden von den alten Menschen gezielt ausgewählt. Spazierengehen, Jogging, Tischtennis, Badminton, Qigong, Tai-Chi, Aerobic und Tanz sind die bevorzugten Sportarten. Schach, Yangge, Tai-Chi und Qigong gehören zu der traditionellen chinesischen Bewegungskultur. Auch Fahrradfahren, Badminton, Tischtennis haben schon lange Tradition. Aerobic, Tanz, Jogging, Fischen sowie Schwimmen haben sich als Mode- bzw. Trendsportarten im Alter herauskristallisiert.

Je entwickelter die Wirtschaft und Kultur einer Region sind, desto höher ist die Quote ihrer sportlich aktiven Bevölkerung.

In der letzten Zeit reagieren die chinesischen lokalen Regierungen auf die rasante Alterung der chinesischen Gesellschaft und richten viele Seniorensportvereine auf der Provinz- und Stadtebene ein. Außer in Tibet, wo sich der Sportverein gerade in der Aufbauphase befindet, haben die anderen 30 Provinzen, autonome Regionen (Gebiete), regierungsunmittelbare Städte, der Xinjiang-Truppenverband sowie anderweitige Branchen wie Eisenbahn, Forstwirtschaft, Elektronik, Erdöl usw. Sportvereine für Menschen über 60 geschaffen. Städtische Gebiete und wirtschaftsstarke Regionen besitzen hohe Partizipationsquoten, eine gute Sportinfrastruktur und Sportanlagen im Vergleich zu ländlichen und wirtschaftsschwachen Regionen.

Über den Autor
Yongxian Li
Sportwissenschaftler

Yongxian Li, Jahrgang 1971, ist Lehrbeauftragter an der Deutschen Sporthochschule Köln für die Themenbereiche Sportpolitik und Bewegungskultur in China.

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