Klimagerechtigkeit, Dekolonialisierung und die Rolle von Kulturbeziehungen

Die Folgen des Klimawandels werden von Jahr zu Jahr deutlicher. Debatten über mögliche Wege in die Zukunft machen deutlich, dass interdisziplinäre Ansätze nötig sind, um Lösungen zu finden. Eine internationale Perspektive auf Klimagerechtigkeit und Dekolonisierung.

Solidarität über Grenzen hinweg aufzubauen ist unerlässlich, um auf Klimagerechtigkeit hinzuarbeiten. Und doch drehen sich einige der hartnäckigsten internationalen Verhandlungen lediglich um Fragen der Verantwortung und der finanziellen Entschädigung für diejenigen, die unter klimabedingten Verlusten und Schäden leiden. Während der Globale Norden für den Großteil der historischen CO2-Emissionen verantwortlich ist, tragen ärmere Länder und Personen die Hauptlast der Folgen. Gleichzeitig leiden sie immer noch unter den Auswirkungen kolonialer Ausbeutung.

Ann Pettifor, Direktorin der Policy Research in Macroeconomics (PRIME)-Gruppe und Expertin für den Green New Deal, setzte mit ihrem Vortrag über die "billionaire economy " den Rahmen für die online Podiumsdiskussion "Climate justice, decolonisation and the role of cultural relations". Pettifor führte in die Ungerechtigkeiten einer globalen Wirtschaftsordnung, die den Interessen der Reichen dient, ein und eröffnet die Diskussion mit Nnimmo Bassey, Umweltaktivist aus Nigeria und Gründer der Health of Mother Earth Foundation, und Tonny Nowshin, Klima- und Degrowth-Aktivist aus Bangladesch und Mitarbeiter im Sunrise Project.

Wir haben ein gesetzloses globales System, das sehr ungleich ist und sich nicht um die kümmert, die mit Füßen getreten werden – Nnimmo Bassey

Sie erörterten, wie die Ungleichheit den Kern der Klimakrise bildet. Während der Wohlstand auf der einen Seite wächst, bleiben andere zurück. Pettifor stellte Untersuchungen vor, die zeigen, dass die reichsten 1 Prozent der Welt für mehr als 15 Prozent der kumulierten Emissionen verantwortlich sind, und die reichsten 10 Prozent für etwas mehr als die Hälfte aller Emissionen. Vermeintliche Lösungen wie Netto-Null, so Pettifor, bedeuten nicht, dass die Emissionen gesenkt werden, sondern dass sie in die Zukunft verschoben oder in die Länder des Globalen Südens exportiert werden. Ein System, das Schuldzuweisungen zulässt und gegen die Interessen der Mehrheit gerichtet ist.

"Wir haben ein gesetzloses globales System, das sehr ungleich ist und sich nicht um die kümmert, die mit Füßen getreten werden", sagte Nnimmo Bassey. Er argumentierte, dass es aufgrund struktureller Herausforderungen schwierig sei, den Klimawandel zu bekämpfen. Die eigentlichen Ursachen würden nicht angegangen. Bassey rief die 99 Prozent, die nicht von diesem System profitieren, dazu auf, ihre Kräfte zu bündeln, um die 1 Prozent daran zu hindern, "alles kaputt zu machen". Kurz gefasst: Nur wenn wir die Wirtschaft neu ordnen, haben wir eine Chance, die globale Erwärmung zu bewältigen.

Tonny Nowshin wies darauf hin, wie wichtig es ist, auch das Erbe und die aktuellen Herausforderungen des Kolonialismus zu untersuchen. Selbst unter jenen, die sich gemeinsam für Klimagerechtigkeit einsetzen, müssten die bestehenden Beziehungen und Hierarchien zwischen den Akteur:innen des globalen Nordens und des Südens verstanden und bearbeitet werden, um eine wirksame Solidarität aufzubauen.

Bassey schloss mit einem Vorschlag: Internationale Treffen wie die COP-Klimakonferenzen führten nicht schnell genug zu sinnvollen Lösungen. Daher könnte man auf den produktiven Gesprächen am Rande dieser Veranstaltungen aufbauen und alternative Orte der Begegnung durch "Gegen-COPs" schaffen. Er betonte, dass wir nur durch ein anderes Finanzsystem in der Lage sein werden, die Klimakrise ernsthaft aus anderen interdisziplinären Blickwinkeln anzugehen.

Dieser Text wurde von der Redaktion vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Über die Autorin
Foto von Clare Richardson
Clare Richardson
Journalistin und Moderatorin

Clare Richardson ist Journalistin und Fernsehmoderatorin und verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der internationalen Berichterstattung. Als Nachrichtensprecherin und Reporterin für den öffentlich-rechtlichen internationalen Sender DW News hat sie unter anderem über wichtige Wahlen in den USA und Deutschland, den Einmarsch Russlands in die Ukraine, die Covid-19-Pandemie und hochkarätige Konferenzen von Staats- und Regierungschefs berichtet. Clare war zuvor Weltredakteurin bei Reuters.com und Weltredakteurin bei der Huffington Post in New York City. Seitdem hat sie mit Stipendien des International Reporting Project aus Brasilien und Mosambik berichtet und Video- und Audiojournalismus an der Universität von Melbourne in Australien unterrichtet. Außerdem hat sie kurze Dokumentarfilme von den Salomonen, aus Australien, Cabe Verde und Brasilien gedreht, u. a. für DW News, Business Insider und BBC Reel.

Total Glokal

In Stuttgart findet die Gesprächsreihe "Total Glokal" statt. Internationale Expert:innen sprechen über die Wechselwirkung von Globalem und Lokalem. Aufzeichnungen dieser und anderer Podiumsdiskussionen sind auf dem YouTube-Kanal des ifa verfügbar. Weitere Informationen auf der Website des ifa.