Transnationale Medienereignisse
In diesem Sinne kann man die Weltgesellschaft nun zusammenfassend als einen erweiterten Kommunikationsraum bestimmen und die schon auf verschiedenen Ebenen, etwa Nation, Umwelt, Politik und Wirtschaft, thematisierte Entgrenzung im Kern als eine Folge der Erweiterung von Information und Kommunikation ansehen.
Die Regionen und Völker der Weltgesellschaft haben sich vor allem durch Kommunikation „entdeckt“, und heute ist, nicht nur in den reichen Ländern, über Postverkehr und Telefonnetze, Satellitenfernsehen und Internet eine „Interkonnektivität“ erreicht wie nie zuvor.
Und es finden transnationale Medienereignisse statt: Maßstäbe dafür bilden Fußball-Weltmeisterschaften und Live-Konzerte, Fernseh-Kriege wie seit 1991 am Golf, später in Jugoslawien oder Afghanistan und Zeremonien wie das Begräbnis von Lady Diana oder Papst Johannes Paul II. Sie haben dem Phänomen „Weltöffentlichkeit“, das sich früher nur schemenhaft ausgeprägt hatte, eine präzisere Gestalt verliehen, nämlich als eine „Gemeinschaft der Völker“ und virtuelles „Weltgewissen“, aber auch als globale Spielwiese und Unterhaltungsarena. Zum Universalismus der Menschenrechte trat die nachkoloniale Forderung, kulturelle Sonderwege zu respektieren und eben dieses Recht auf Differenz selbst universal zu verankern, wodurch in der heutigen Weltgesellschaft auch Verschiedenheit als Universalie anerkannt ist. Befördert, wenn auch gelegentlich manipuliert, werden solche Ansprüche durch eine elektronische Medienöffentlichkeit, die sich thematisch wie von ihrer Reichweite her global erweitert hat. Elektronische und digitale Medien erlauben Reisen durch Zeit und Raum, ohne dass wir, die Zuschauer und Zuhörer, unseren jeweiligen Standort, sagen wir: die Fernsehcouch, überhaupt noch verlassen müssen. Dabei geht es nicht vornehmlich um die Berichterstattung über Ereignisse, die metaphorisch „alle Welt“ interessieren; spezialisierte Sender wie CNN können über die Inszenierung von „Großereignissen“ buchstäblich die ganze Welt in den Bann schlagen, und die Einschaltquote ist der globale Indikator für Medienaufmerksamkeit.
Medien mit globaler Reichweite werden damit nicht gerade zu Hütern einer universal gültigen Moral, sie integrieren aber die Weltgesellschaft, indem sie kulturelle Differenzen und Standards zum Thema machen. Mit dieser Irritation schaffen sie die Grundlage für einen bescheidenen, stets fragilen Kosmopolitismus, der eine früher kaum mögliche Solidarität mit Fremden erlaubt.
Das alles bedeutet: Erstens hat sich, quer zur herkömmlichen Differenzierung der Weltgesellschaft nach Funktionsbereichen, kulturelle Fragmentierung eingestellt. Zweitens entterritorialisieren und virtualisieren sich soziale Räume, so dass man weniger denn je die Deckungsgleichheit von kulturellen Gemeinschaften mit Staatsgrenzen unterstellen kann. Drittens bilden sich transnationale Gemeinschaften und Identitäten durch Nationen und Nationalstaaten hindurch. Die Diversifikation sozialer Zugehörigkeiten stellt den Nationalstaat als Leitlinie kollektiven Handelns wie als politisches Leitmotiv in Frage.