Auf der anderen Seite erlauben die Sportverbände aber nur in einem sehr engen Rahmen die Artikulation dieses Protests, so dass hier nur ein schmaler Grat zwischen zulässiger freier Meinungsbekundung und dem Artikel 50.3 der IOC Charta besteht, in dem es heißt: „No kind of demonstration or political, religious or racial propaganda is permitted in any Olympic sites, venues or other areas.”
Berücksichtigt man, dass Sportgroßveranstaltungen auch künftig in den wirtschaftlich prosperierenden, demokratietheoretisch bisweilen aber schwierigen BRICS-Staaten ausgetragen werden, steht die Perspektive im Raum, dass dieses Spannungsverhältnis auch in absehbarer Zeit in den Stadien anzutreffen sein wird und die Sportler immer neue und kreative Formen der Protestbekundung entwickeln werden.
Sportverbände erlauben nur in einem sehr engen Rahmen die Artikulation des Protests.
In Deutschland hatte der ehemalige Profispieler Markus Babbel, der zu diesem Zeitpunkt noch keinen Trainerschein besaß und deswegen offiziell als Teamchef fungierte, im November 2008 als Nachfolger von Armin Veh, der mit dem VfB Stuttgart zuvor Meister geworden war, die Leitung der Schwaben übernommen und diese am Saisonende noch in die Champions League geführt. Der Saisonstart 2009/2010 wurde jedoch verpatzt: Sieben Mal hintereinander blieb der Verein ohne Sieg.
Nach einem 1:1 des VfB Stuttgart gegen den VfL Bochum am 5. Dezember 2009 kam es zu massiven Protesten von VfB-Anhängern, die als konfrontativer Protest eingeordnet werden können. Hierzu zählen Demonstrationen, die nicht angemeldet werden, Blockaden, Besetzungen sowie auch Formen der verbalen Gewalt und leichte Sachbeschädigung, so zum Beispiel durch den Wurf eines Farbbeutels. In Stuttgart hatten bereits vor der Partie gegen Bochum rund 100 eigene Anhänger ihren Unmut bekundet und den Mannschaftsbus mit einer Sitzblockade an der Fahrt ins Stadion gehindert. Nach dem Unentschieden eskalierte das Geschehen und ein Teil der VfB-Fans ließ seinen Ärger an Spielern und vor allem am Trainer aus. Rund 3.000, überwiegend jugendliche Fans belagerten regelrecht das Verwaltungsgebäude des Vereins, randalierten und steigerten sich in Beschimpfungen, die bis zur Drohung mit Totschlag reichten.
Die Verantwortlichen des VfB Stuttgart beugten sich letztlich dem Druck und entließen Markus Babbel einen Tag später, der eine Woche zuvor noch eine Jobgarantie vom Vorstand erhalten hatte. Besondere Aufmerksamkeit erhielten die Stuttgarter Auseinandersetzungen – die Ausdruck einer verstärkt auszumachenden Tendenz sind, über Sitzblockaden und Drohungen Einfluss auf die Vereinspolitik zu nehmen – auch vor dem Hintergrund des durch Depressionen ausgelösten Selbstmords des Nationaltorhüters Robert Enke im Monat zuvor.
Sowohl seitens der Verantwortlichen in Vereinen und Verband als auch seitens der Fans hatte man als Reaktion einen anderen Umgang miteinander beschworen. Diese Absicht war aber schon kurz darauf Makulatur; in den folgenden Jahren kam es immer wieder zu ähnlichen konfrontativ ausgerichteten Protestrepertoires, die jedoch nie derartige Dimensionen annahmen wie in anderen europäischen Ländern, wo etwa in Italien, in der Seria-A im April 2012, rund 70 Ultras in der zweiten Halbzeit der Partie zwischen CFC Genua und Siena mit Feuerwerkskörpern und Rauchbomben eine Spielunterbrechung für rund 45 Minuten herbeiführten, um gegen den 0:4 Zwischenstand zu protestieren. Die Ultras blockierten in der Folge den Zugang zum Spielertunnel; eine Fortsetzung der Partie war erst möglich, als fast alle Spieler von Genua der Forderung der Ultras nach einer Entledigung ihrer Trikots nachgekommen waren. Auch in diesem Fall wurde am nächsten Tag der Trainer entlassen.