Wir sollten glücklich sein, dass wir ihn haben: Der Bundesrechnungshof ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie. Seine Rolle als unabhängiges Organ der staatlichen Finanzkontrolle ist dergestalt bedeutsam, dass unser Grundgesetz ihn als "selbstständig gegenüber der Bundesregierung und nur dem Gesetz unterworfen" gestaltet hat, seine Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, und das Bundesverfassungsgericht immer wieder seine "Sonderstellung im Staatsgefüge" (also "zwischen" Exekutive und Legislative) betont.
Gleichermaßen wesentlich für unsere Demokratie ist die Möglichkeit, auch die Kritik des Bundesrechnungshofes zu kritisieren. Das soll hier in großer Deutlichkeit passieren, und bezieht sich auf die vor wenigen Tagen veröffentlichte abschließende Mitteilung zur "Förderung der Computerspielentwicklung auf Bundesebene".
Dabei soll nicht im Detail auf die aufgeworfenen Kritikpunkte des Berichts eingegangen werden, da zum einen der wesentliche Teil der Kritik außerhalb der Kernkompetenzen des Autors zu verorten sind, und zum anderen hierzu auch bereits ein engagierter Diskurs innerhalb der Gaming-Community begonnen hat, insbesondere durch eine Stellungnahme des Verbandes der deutschen Games-Branche.
Vielmehr ist festzuhalten: Der Bundesrechnungshof betrachtet die Ausgangslage in mindestens dreierlei Hinsicht verkürzt, weshalb seine abschließende Mitteilung an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterkomplex erscheint.
1. Die wirtschaftlichen Transfereffekte einer starken Gamingbranche und -community auf die gesamte Volkswirtschaft sind erheblich, und nach hiesiger Ansicht stärker zu berücksichtigen, als es der Bericht des Bundesrechnungshofes tut. Es ist interdisziplinär gut belegbar, dass sich innerhalb der Sphären des Gaming ebenjene wirtschaftlichen und auch sozialen Innovationen entwickeln, die herbeizuführen Kernaufgabe unserer Wirtschafts-, Forschungs-, und Innovationspolitik ist: Das betrifft Künstliche Intelligenz ebenso wie virtuelle Welten (VR, "Metaverse"), virtuelle Währungen, virtuelles Arbeiten, und sogar Quantentechnologien. Diese Transfereffekte auf nicht-endemische Akteure und vermeintlich "weit entfernte" Branchen sind seit vielen Jahren erkennbar und messbar, und reichen von der Automobilindustrie über die Gesundheitswirtschaft und die Pflege bis zur Halbleiterindustrie. Sie sind zugleich nur abrufbar für solche Länder, die über eine starke produzierende (!) Gaming-Industrie verfügen - oder anders formuliert: Es reicht für die allermeisten wirtschaftlichen Transfereffekte nicht, wenn Videospiele gespielt werden. Es braucht eine Community, einschließlich der Industrie, in der sich die notwendigen (Digital)Kompetenzen ausprägen können. Dafür bedarf es, insbesondere als Folge einer jahrzehntelangen Vernachlässigung des Mediums und Kulturguts Videospiel, noch für einige Zeit einer engagierten Förderung durch den Bund.
Diese drei Verwunderungen über den Bericht des Bundesrechnungshofes sind naturgemäß keine umfassende Reflexion, und haben auch nicht diesen Anspruch. Sie sind als "fachfremder" Diskursbeitrag zu verstehen, bei dem weniger juristische und formale Aspekte der Gaming-Förderung des Bundes im Mittelpunkt stehen, sondern mehr die Frage, ob hier wirklich die wichtigsten Fragen gestellt worden sind.
Eine ausgeprägte Rechenschaftspflicht gilt in der Demokratietheorie und der Regierungslehre als unverzichtbar für moderne "good governance". Umgekehrt darf erwartet werden, dass die Kontrolle der Rechenschaft maximal informiert und auf dem aktuellen Stand interdisziplinärer Diskurshöhe erfolgt.
Summa summarum: Gut, dass der Bundesrechnungshof, der bei der Auswahl seiner Prüfungsthemen frei ist, sich dieses Themas angenommen hat. So lässt es sich erfolgreich, mit Karl Popper gedacht, gemeinsam zu einer klugen Gaming-Förderung emporirren. Es ist - das zeigt auch die kürzlich vorgetragene Forderung des Deutschen Kulturrates, die Bundesregierung müsse das Thema "endlich ernst nehmen” - dringend notwendig.