Illustration: Hände halten eine Kugel in die Höhe.

In den Fluten von Lagos, in der Hitze von Khartum

Viele afrikanische Städte sind durch extreme Wetterereignisse gefährdet, die sich auf die Lebensgrundlagen der Stadtbewohner auswirken. Dennoch spielen diese Städte in der politischen Agenda zur Klimaanpassung kaum eine Rolle.

Ein Großteil der bestehenden Forschungsagenda zur urbanen Klimaresilienz und -anpassung wurde in der Vergangenheit vom Globalen Norden festgelegt. Dies hat zu einer Wissenslücke über die afrikanische Perspektive geführt. Afrikanische Städte entwickeln nun selbst dringend benötigte Strategien zur Anpassung an den Klimawandel. Die Kapazitäten für die Umsetzung dieser Strategien sind jedoch begrenzt.

Stadtverwaltungen und Kommunen müssen daher bei der Entwicklung und Realisierung einer integrierten und inklusiven Planung unterstützt werden, damit sie für den Klimawandel in den Städten besser gewappnet sind. Die Regierungen sind gehalten, konzertierte Anstrengungen zu unternehmen, um eine gerechte Anpassung an die Wetterveränderungen voranzutreiben. Dies muss auf globalen Plattformen wie den Klimakonferenzen der Vereinten Nationen eingebracht werden. Sie müssen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Urbanisierung in Afrika aufzeigen. Ein Fokus auf City Governance und Klimafinanzierung kann dabei den Weg für einen gerechten urbanen Wandel ebnen.

Regierungen sind gehalten, konzertierte Anstrengungen zu unternehmen, um eine gerechte Anpassung an die Wetterveränderungen voranzutreiben.

Vorschläge für einen gerechten Übergang konzentrierten sich ursprünglich auf die Eindämmung des Klimawandels. Die Wirtschaft sollte von fossilen Brennstoffen gelöst werden und es war ein vorrangiges Ziel, dass die Auswirkungen des Wandels auf die Wirtschaft und die Lebensgrundlagen gerecht ausfallen. Darauf weist das World Resources Institute (WRI), eine globale gemeinnützige Forschungsorganisation, immer wieder hin.

Klar ist, dass es beim gerechten Übergang auch um Fairness geht. Damit die Anpassung gerecht ist, muss sie den Bedürfnissen der gefährdeten Gruppen Rechnung tragen, die den Klimarisiken am stärksten ausgesetzt sind.

Dazu gehören einkommensschwache Haushalte, die nicht versichert sind oder nicht über die Mittel verfügen, um beschädigte Güter und Infrastruktur zu ersetzen; oder Menschen mit Behinderungen, die unverhältnismäßig stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden.

Wolkenkratzer in der Skyline von Luanda.
Luanda, Angola - Städte stehen an vorderster Front des Klimawandels, Foto: Michael Kappeler / dpa via picture alliance

Städte stehen an vorderster Front des Klimawandels und müssen sich dringend anpassen. Diese Botschaft kommt im Bericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability“ deutlicher denn je zum Ausdruck. Trotz dieser Erkenntnis wurde den urbanen Fragen auf der 27. UN-Klimakonferenz (COP27), im November 2022 in Sharm El-Sheikh nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Es gab dazu auch keinen eigenen „Thementag“.

Es gab jedoch einige Veranstaltungen mit städtischem Fokus. COP27-Gastgeber Ägypten realisierte gemeinsam mit dem Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-Habitat) und ICLEI – Local Governments for Sustainability einen Workshop zum Thema „Nachhaltige Städte“.

Dennoch haben afrikanische Kommunen nur langsam Maßnahmen und Praktiken angestoßen, um sich an den Klimawandel anzupassen und seine Folgen einzudämmen. Die COP27 in Ägypten, eine „afrikanische COP“, legte an den „Thementagen“ mehr Gewicht auf Landwirtschaft und Biodiversität.

Obwohl diese Themen für Afrika historisch wichtig sind, erfordert das schnelle Wachstum afrikanischer Städte, dass nationale und regionale politische Entscheidungsträger mehr Aufmerksamkeit auf städtische Probleme im Allgemeinen und Klimafragen im Besonderen richten.

Auf Überschwemmungen und Hitzewellen vorbereitet sein

In afrikanischen Städten besteht ein dringender Bedarf, besser zu verstehen, wie man sich auf extreme Wetterereignisse vorbereiten kann. Überschwemmungen, starke Winde und Hitzewellen wirken sich direkt auf Lebensgrundlagen, Ökosysteme und wirtschaftliche Sicherheit aus. Küstenstädte sind besonders anfällig für zunehmende Sturmfluten aufgrund des steigenden Meeresspiegels.

UN-Habitat schätzt, dass mehr als die Hälfte der afrikanischen Stadtbevölkerung in Slums und informellen Siedlungen lebt, in denen die Bevölkerung wächst. Die meisten Slums werden auf Flächen gebaut, die für Klimaauswirkungen sehr anfällig sind, wie Feuchtgebiete oder degradierte Böden.

Dies erfordert Anpassungen, die die Risiken für Straßen, Kanalisation und Ökosysteme verringern. Maßnahmen sind auch erforderlich, um nachhaltige Wohnungen zu bauen, die Überschwemmungen und extremer Hitze besser standhalten können.

Die meisten Slums werden auf Flächen gebaut, die für Klimaauswirkungen sehr anfällig sind, wie z. B. Feuchtgebiete oder degradierte Böden.

Der Mangel an öffentlichen Dienstleistungen in Slums trägt zu einer Vielzahl von Anfälligkeiten der Haushalte bei. Das macht es schwierig, sich angemessen auf Klimagefahren vorzubereiten oder in nachhaltige Anpassungen zu investieren. Zum Beispiel kann ein Bewohner durch eine Überschwemmung sein Haus und sein Hab und Gut verlieren und gleichzeitig gesundheitliche Folgen erleiden. Gehen offizielle Dokumente verloren, kann das den Zugang zu Gesundheitsdiensten, Bildung und Beschäftigung erschweren. Slums sind nicht homogen. Um diese Herausforderungen anzugehen, bedarf es unterschiedlicher Ressourcen und Maßnahmen.

Innovation in Slums

Nichtsdestotrotz gibt es in den Slums Innovationen in der Wasserversorgung, beim Wohnraum, Energiesystemen und im Verkehr. So werden beispielsweise in Kampala organische Abfälle zu Briketts verarbeitet. Dadurch müssen weniger Bäume gefällt werden, um Holzkohle zu produzieren, und die auf Deponien fällt weniger Abfall an. Bewohner einer informellen Siedlung in Nairobi haben ihre Ersparnisse investiert, um das Überschwemmungsrisiko zu verringern. Sie haben Bäume zur Stabilisierung der Flussufer gepflanzt, und sie haben Jugendgruppen mobilisiert, um Umweltinformationen zu verbreiten.

Diese lokalen Initiativen zeigen nicht nur, wie wichtig Innovationen sind, sondern auch, wie notwendig ein integrativer, gemeinschaftlicher Prozess ist, der Anpassungsbedarfe, Prioritäten und Programme identifiziert. Leider verfügen die meisten Städte nur über unzureichende Daten über Slumwohnungen. Das macht es schwierig zu erkennen, wo Eingriffe vorrangig sind und wie sie am besten auf den lokalen Kontext zugeschnitten werden könnten.

Lokale Initiativen zeigen, wie notwendig ein integrativer, gemeinschaftlicher Prozess ist, der Anpassungsbedarfe, Prioritäten und Programme identifiziert.

Die ökosystembasierte Anpassung wird mehr und mehr zu einem zentralen Bestandteil der städtischen Klimaresilienz. Wenn gewährleistet ist, dass Grünflächen, Bäume und Wasserwege effektiv Wirkung entfalten, sinken das Hochwasserrisiko und die Temperaturen in den überhitzten Städten. Die urbanen Räume werden attraktiver.

Afrikanische Kommunen entwickeln zunehmend dringend benötigte Strategien und Pläne zur Anpassung an den Klimawandel. Jedoch sind die Kapazitäten für ihre Umsetzung oft begrenzt.

Und viele dieser Pläne sind sektorbezogen und nicht ganzheitlich. Klimaereignisse haben aber gezeigt, dass Städte als Systeme verstanden werden müssen, deren zahlreiche Komponenten miteinander verbunden sind. Dies ist entscheidend, um zu vermeiden, dass durch Fehlanpassungen andere Sektoren untergraben werden.

Die Dürre in Kapstadt im Jahr 2017 führte vor Augen, wie wichtig ein ganzheitlicherer Ansatz ist. Vor der Dürre konzentrierte sich die Stadt Kapstadt darauf, die Wasserversorgung zu verbessern und den Wasserverbrauch zu reduzieren. Als sich die Dürre ausbreitete, wurde klar, dass die Auswirkungen einer stadtweiten Gefährdung durch das Klima weitreichender waren. Die Maßnahmen der Stadt mussten sich auf gesundheitliche, wirtschaftliche, sozioökonomische und ökologische Faktoren erstrecken. Dies erforderte eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Regierungs- und Verwaltungsorganen der Stadt.

Ein Mann steht neben einem Wasserspender.
Ein Mann benutzt einen Prepaid-Wasserspender in Kinsenyi, einer informellen Siedlung in Kampala, Uganda, Foto: Ute Grabowsky / photothek via picture alliance

Kapstadts neue Wasserstrategie

Die Dürre verdeutlichte zudem die krassen Ungleichheiten in der Stadt, insbesondere die Probleme einkommensschwacher Gemeinden bei der Wasserversorgung. Auch wenn einige Fortschritte erzielt wurden, muss in einer Stadt, in der viele Menschen kein fließendes Wasser im Haus haben und sich die grundlegende Wasserversorgung nicht leisten können, noch mehr getan werden.

Nach der Dürre wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Wassersektor und anderen Abteilungen der Stadtverwaltung verstärkt. Ein beachtliches Ergebnis war die neue „Wasserstrategie“. Als ganzheitlich ausgerichteter Maßnahmenkatalog berücksichtigt sie Wissenschaft, Umwelt und die im Klimawandel befindliche Gesellschaft direkter.

Eine wichtige politische Lektion ist, dass Stadtverwaltungen die Klimaanpassungspolitik und -umsetzung bereits im Vorfeld von Katastrophen unterstützen müssen. Und sie müssen sicherstellen, dass Experten aus verschiedenen Sektoren in die Planungsprozesse einbezogen werden. Es müssen Gelegenheiten geschaffen werden, um mit verschiedenen Akteuren in Kontakt zu treten: Bewohner aus Slums, zivilgesellschaftliche Gruppen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Unternehmen. Nur so können sie verstehen, welche Auswirkungen die vorgeschlagenen Maßnahmen haben und wie die unterschiedlichen Bedürfnisse erfüllt werden könnten.

Internationale Geber finanzieren oft Projekte mit kurzer Laufzeit. Sie machen es schwierig, Anpassungsprojekte zu identifizieren, Beziehungen aufzubauen und gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften zu gestalten.

Solche Verabredungen sollten nicht symbolisch sein. Für die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel, die den vielfältigen Zielen der in den Städten lebenden Menschen gerecht werden, müssen ausreichend Mittel und Personal bereitgestellt werden.

Internationale Geber finanzieren oft Projekte mit kurzer Laufzeit. Sie machen es schwierig, Anpassungsprojekte zu identifizieren, Beziehungen aufzubauen und gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften zu gestalten. Größere oder etablierte Organisationen haben oft mehr Kapazitäten für den Zugang zu Finanzmitteln als kleinere. Das kann sich auf weniger ausgestattete und marginalisierte Gruppen auswirken. Dies muss neben der Unterstützung des Kapazitätsaufbaus sorgfältig beachtet werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass auch die Bedürftigsten Zugang zu Klimafinanzierung haben. Stadtverwaltungen wiederum müssen es verschiedenen Gruppen ermöglichen, sich an gerechten Anpassungen in den Städten zu beteiligen.

Jugend in Lobito und Luanda

Menschenmenge an einer Wasserstelle.
Angolaner mit Plastikbehältern drängen sich an der Wasserstelle in einer Ausfallstraße von Angolas Hauptstadt Luanda, Foto: Wolfgang Langenstrassen / dpa via picture alliance

Jugendliche in den angolanischen Küstenstädten Lobito und Luanda nutzten Social-Media-Kampagnen, um das Bewusstsein zu schärfen und Druck auf die lokalen Behörden auszuüben, damit ihre natürliche Umgebung wiederhergestellt wird. Indem sie ihren Fokus über Umweltfragen hinaus erweiterten und zeigten, wie gesunde Ökosysteme der Gemeinschaft helfen – mit Zugang zu sauberem Wasser und gesunden Lebensräumen für Fische –, gelang es ihnen, mehr Unterstützung durch ihre Gemeinden zu bekommen.

Kommunalverwaltungen sind in der Pflicht, die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren, insbesondere mit Nichtregierungsorganisationen und Jugendgruppen, zu verbessern.

Ein zentrales Element, um Chancengleichheit zu stärken, ist es, zu verstehen, wie unterschiedliche Perspektiven gefördert werden können, die in die Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen einfließen. Partizipative Governance kann helfen, die Last gemeinsam zu tragen. Gemeinsam bedeutet, über Grenzen hinweg zu arbeiten, zu planen und auf die Bedürfnisse und Prioritäten verschiedener Gemeinschaften zu hören.

Darüber hinaus sind lokal geleitete Anpassungsprojekte gefordert, sorgfältig zu prüfen, wie sich der Klimawandel auf die Menschen auswirkt und welchen Einfluss sozioökonomische Parameter wie Einkommen, Bildung, Geschlecht und Gesundheit haben. Das Augenmerk muss gerechten Verfahren gelten, die sich mit diesen Ungleichheiten befassen. Und es gilt, Prozesse zu entwickeln, die Machtunterschiede bewusst anerkennen und Stimmen Gehör verschaffen, die normalerweise nicht gehört werden.

Obwohl es viele Möglichkeiten gibt, einen gerechten urbanen Übergang zu unterstützen, sind zwei vorrangige Bereiche nützliche Ausgangspunkte, um aus der COP27 eine afrikanische Position zu einer gerechteren Anpassung zu abzuleiten.

Erstens ist es wichtig, dass sich die afrikanischen Länder auf städtische Governance und Führung konzentrieren. An der Entscheidungsfindung müssen mehrere Akteure beteiligt sein, darunter Umweltexperten, Kommunalverwaltungen, Stadtbewohner und interessierte Gruppen. Dies trägt dazu bei, eine umfassendere Klimarisikoplanung für die Gegenwart und Zukunft zu erstellen. Um dies zu erreichen, müssen strukturelle Hindernisse für eine wirksame Beteiligung beseitigt und der Transparenz Vorrang eingeräumt werden. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen über die Ressourcen verfügen, um sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Dieser Aspekt wurde durch den COP27-Thementag zur Zivilgesellschaft unterstützt. Die Anwesenheit eines Moderators, der die zugrunde liegenden Machtdynamik ansprechen und gewährleisten kann, dass die Stimmen der lokalen Gemeinschaft gehört werden, hat sich als wirksam erwiesen.

Gemeinsame Anstrengungen

Zweitens ist die Finanzierung des Übergangs zwischen städtischer Klimapolitik und Maßnahmen, die das Klimarisiko für gefährdete Gruppen verringern, von entscheidender Bedeutung. Obwohl Finanzierungsvereinbarungen ein Schwerpunkt der COP27-Diskussionen waren, ist zusätzlich sicherzustellen, dass diese Finanzierung in afrikanischen Städten ankommt.

Lokal geleitete Anpassungsprojekte sind gefordert, sorgfältig zu prüfen, wie sich der Klimawandel auf die Menschen auswirkt und welchen Einfluss sozioökonomische Parameter wie Einkommen, Bildung, Geschlecht und Gesundheit haben.

Nach der COP27 muss mehr Aufmerksamkeit darauf gerichtet werden, wie Behörden, die die Haushalte des öffentlichen Sektors verwalten, eine gerechte Anpassung an den Klimawandel in den Mittelpunkt stellen können. Die nationalen Regierungen müssen mit den Stadtverwaltungen zusammenarbeiten. Sie müssen herausfinden, wie öffentliche und private Mittel strategisch eingesetzt werden können, um eine langfristige Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen und anstelle kurzfristiger Initiativen länger angelegte Finanzierungsmöglichkeiten für Städte zu erschließen.

Es bedarf konzertierter Anstrengungen der Regierungen, um eine gerechte Anpassung an den Klimawandel voranzutreiben. Die globale Unterstützung wird den afrikanischen Ländern helfen, auf dem Weg zu einer gerechten Transformation in den Städten substanzielle Fortschritte zu erzielen. Untätigkeit wird erhebliche Kosten verursachen, sowohl durch direkte Klimaauswirkungen als auch durch indirekte Kosten für den Rest der Gesellschaft.

Literatur

Über die Autorin
Gina Ziervogel
Professorin

Gina Ziervogel ist außerordentliche Professorin am Department of Environmental and Geographical Science an der University of Cape Town,. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Anpassung an den Klimawandel und die Entwicklung auf allen Ebenen, vom Haushalt bis zur kommunalen Ebene, mit einem Schwerpunkt auf Wasser, städtischer Verwaltung und Resilienz.

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