Klimawandel, Kommunikation und Kultur

Die Auswirkungen des Klimawandels werden von Jahr zu Jahr deutlicher und lassen viele Menschen verzweifeln und resignieren. In einer Podiumsdiskussion im Dezember 2022 erörterten Expert:innen, wie diese psychologischen Auswirkungen überwunden werden können.

Wie können Verzweiflung und Resignation über die Klimakrise überwunden werden, wenn ständig daran erinnert wird, dass sie schwer lösbare und sich verschärfende Probleme mit sich bringt? Medienberichte und Informationskampagnen, die sich auf die verheerenden Folgen des Klimawandels konzentrieren, können zu emotionaler Erschöpfung und Stagnation führen, wenn sie keinen klaren Aktionsplan vorgeben. „Es ist, als würde man in ein Taxi steigen und sagen: ‚Fahren Sie mich nicht zum Bahnhof!‘" erklärte Katharina van Bronswijk, Sprecherin von Psychologists / Psychotherapists for Future. Aufgrund ihrer Erfahrungen als Klimaaktivistin und praktizierende Psychologin betonte sie, wie wichtig konkrete Ziele seien, die zeigen, wohin wir mit klimafreundlichen Maßnahmen und Verhaltensweisen kommen müssen.

Im Gespräch mit Dr. Michael Shank, Director of Engagement bei der Carbon Neutral Cities Alliance, und Ayat Najafi, einem Multimedia-Künstler und Regisseur, diskutierte van Bronswijk Kommunikationsstrategien zur Überwindung von Apathie und die besondere Rolle des Kultursektors, wenn es darum geht, komplexe Themen zugänglich zu machen. Dr. Shank, der u. a. für US-Medien schreibt und Graduiertenkurse über nachhaltige Entwicklung und Konfliktkommunikation unterrichtet, beschrieb die in den Medien vorherrschenden Narrative zum Klimawandel. Er argumentierte, es habe eine positive Entwicklung gegeben, die wegführt von der früheren Tendenz der Nachrichtenorganisationen, Klimawandelleugner zu Gesprächen einzuladen, um eine alternative Meinung zum überwältigenden wissenschaftlichen Konsens in der Frage des menschengemachten Klimawandels zu vertreten. Van Bronswijk fügte hinzu, dass diese Taktik,  „wissenschaftliche Ungewissheit“ zu verbreiten, nicht nur ein Medienkonstrukt sei, sondern auch von der Industrie für fossile Brennstoffe aktiv vorangetrieben wurde. Die Diskussionsteilnehmer:innen waren sich einig, dass dieses Framing den Bemühungen schadet, das Publikum davon zu überzeugen, wie dringlich es ist, den Klimawandel zu bekämpfen.

Eine Demonstration gegen Klimaleugner.
In den Medien ist eine positive Entwicklung zu erkennen, die wegführt von der früheren Tendenz Klimawandelleugner zu Gesprächen einzuladen, um eine alternative Plattform zum wissenschaftlichen Konsens zu bieten, Foto: Markus Spiske via unsplash

Um die falsche Gleichstellung von Klimawandelleugnern und Wissenschaftler:innen zu überwinden, seien die Medien gefordert, ihre Narrative komplexer zu formulieren. Das habe  neue Herausforderungen hervorgebracht . Die Komplexität, die mit dem Klimawandel verbunden ist, kann so überwältigend sein, dass sie Angst und Besorgnis auslöst. Dadurch entstehen Erzählungen , die die persönliche Verantwortung ausklammern und die Schuld auf andere abwälzen, beispielsweise große CO2-Verursacher wie die Industrie für fossile Brennstoffe.

Shank argumentierte, dass ein solches Denken eine falsche Wahl zwischen individuellem und systemischem Wandel darstelle: Beide seien notwendig, nicht nur das eine oder das andere. Angesichts des großen Misstrauens in der Öffentlichkeit ist es schwierig, aber wichtiger denn je, Gemeinschaften zu bilden, die Maßnahmen zur Veränderung von Systemen, Märkten und Politiken ergreifen. 

Für einen Wandel muss die Frustration überwunden und  eine klare Richtung vorgegeben werden. Wohin soll uns das Taxi daher fahren?

Eine große Herausforderung bei der Klimakommunikation ist es, die Öffentlichkeit zu informieren und einzubeziehen, ohne Hoffnungslosigkeit und Resignation herbeizuführen. Van Bronswijk erläuterte, wie unangenehme Gefühle dazu führen können, die persönliche Verantwortung zu verleugnen oder zur Weigerung, den Klimawandel anzuerkennen. Das kann sich in verschiedenen Verhaltensweisen äußern, mit denen entscheidende Veränderungen hinausgezögert werden:

  • Die Katastrophe als unvermeidlich ansehen,
  • sich auf die negativen persönlichen oder sozialen Auswirkungen einer Verhaltensänderung konzentrieren,
  • nicht-transformative Lösungen wie Technologien zur Abschwächung der Folgen des Klimawandels vorschlagen,
  • oder die Verantwortung auf andere Personen, Unternehmen oder Systeme abwälzen.

Um diese Art von Burnout zu vermeiden, betonten die Diskussionsteilnehmer:innen die Notwendigkeit, vernünftige und messbare Möglichkeiten für Verhaltensänderungen zu schaffen. Anstatt sich auf reine Vermeidungsziele zu konzentrieren, sollte vermittelt werden, wie klimafreundliche Maßnahmen die Gesundheit, Sicherheit und Wirtschaft verbessern und welche weiteren Vorteile sie für unser persönliches Leben und unsere Gemeinschaften haben können. Psychologists4Future hat einen Leitfaden  herausgegeben, mit dem Medienorganisationen diese Prinzipien direkt anwenden können.

Kulturelle Akteure spielen bei der Vermittlung von Klimathemen eine entscheidende Rolle. Sie sind in der Lage, komplizierte Forschungsergebnisse in einfache, aber bewegende Botschaften zu übersetzen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für die Glaubwürdigkeit unerlässlich, aber auch Kunst und Kultur spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Menschen zu erreichen. Ob durch Bücher, Theater, Ausstellungen oder andere Formen kulturellen Engagements – die Diskussionsteilnehmer:innen waren sich einig, dass oft eher persönliche Erfahrungen die Meinung zu einem Thema ändern als nüchterne Daten. In diesem Sinne verfügt der Kultursektor über ein einzigartiges Potenzial, Geschichten zu erzählen, die am Beginn von Verhaltensänderungen stehen. Van Bronswijk erklärte, dass Informationen „auf den Boden von Ideologien fallen“ und dass die Weltanschauung von Menschen die Art und Weise prägt, wie sie Informationen verarbeiten und auf sie reagieren. Tatsächlich zeigten psychologische Studien keine eindeutige Verbindung zwischen dem Umweltwissen einer Person und ihrem Verhalten. Vielmehr sind die Werte einer Person entscheidend. Jemandem, der Bäume oder die Natur nicht zu schätzen wisse, werden Nachrichten über Brände im Amazonas wahrscheinlich nicht dazu bewegen, sein Verhalten zu ändern. Das Erzählen von Geschichten, Kreativität und Emotionen seien daher nicht nur wesentliche Elemente von Kulturproduktion, sondern auch die entscheidenden Merkmale erfolgreicher Klimakommunikation.

Anstatt sich auf reine Vermeidungsziele zu konzentrieren, sollte vermittelt werden, wie klimafreundliche Maßnahmen die Gesundheit, Sicherheit und Wirtschaft verbessern.

Als Beispiel für die Umsetzung dieser Prinzipien berichtete Ayat Najafi von seinen Erfahrungen als Multimedia-Künstler, der auf die durch den Klimawandel verursachten Umweltkatastrophen, darunter die Konflikte um Wasser, aufmerksam macht. Das kollektive Kunstprojekt „SANDSTORM – And Then There Was DUST“ brachte Künstler:innen aus dem Iran, dem Irak und der Türkei zusammen, die mit künstlerischen und wissenschaftlichen Methoden kreative Lösungen für die Wüstenbildung suchten.

Die Arbeit konzentrierte sich auf die Umweltzerstörung im mesopotamischen Sumpfland und dokumentierte wie der Lebensstil der Bewohner in der Grenzregion zwischen Iran und Irak verschwindet, die dort auf schwimmenden Häusern lebten. Ayat Najafi und die anderen Künstler:innen sammelten mündliche Erzählungen. Sie erweckten diese Geschichten u.a. digital zum Leben, indem sie sie auf einem Instagram-Account veröffentlichten. Najafi hofft, durch seine Projekte und die Zusammenarbeit mit internationalen Partner:innen ein Bewusstsein für den klimabedingten Verlust von Kultur und Lebensraum in der Region zu schaffen und den Druck auf die politisch Verantwortlichen zu erhöhen. Seine Arbeit unterstreicht die Rolle von Künstler:innen, für Umweltkatastrophen zu sensibilisieren und Solidaritätsnetzwerke aufzubauen, die für deren Bewältigung erforderlich sind.

Über die Autorin
Foto von Clare Richardson
Clare Richardson
Journalistin und Moderatorin

Clare Richardson ist Journalistin und Fernsehmoderatorin und verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der internationalen Berichterstattung. Als Nachrichtensprecherin und Reporterin für den öffentlich-rechtlichen internationalen Sender DW News hat sie unter anderem über wichtige Wahlen in den USA und Deutschland, den Einmarsch Russlands in die Ukraine, die Covid-19-Pandemie und hochkarätige Konferenzen von Staats- und Regierungschefs berichtet. Clare war zuvor Weltredakteurin bei Reuters.com und Weltredakteurin bei der Huffington Post in New York City. Seitdem hat sie mit Stipendien des International Reporting Project aus Brasilien und Mosambik berichtet und Video- und Audiojournalismus an der Universität von Melbourne in Australien unterrichtet. Außerdem hat sie kurze Dokumentarfilme von den Salomonen, aus Australien, Cabe Verde und Brasilien gedreht, u. a. für DW News, Business Insider und BBC Reel.

Total Glokal

In Stuttgart findet die Gesprächsreihe "Total Glokal" statt. Internationale Expert:innen sprechen über die Wechselwirkung von Globalem und Lokalem. Aufzeichnungen dieser und anderer Podiumsdiskussionen sind auf dem YouTube-Kanal des ifa verfügbar. Weitere Informationen auf der Website des ifa.