Zivilisatorische Blöcke
Der Unterschied zwischen einer „Wir-Kultur“ und dem Ansatz „Wir gegen die anderen“ führt uns zu einer der zentralen Debatten seit dem Ende des Kalten Kriegs. Die „Wir-Kultur“ entspricht Francis Fukuyamas „Das Ende der Geschichte“. Für Fukuyama bedeutet der Fall der Sowjetunion das Ende des einzigen Konkurrenten der liberalen westlichen Demokratie. Letztlich würden alle Länder und Regierungen „westlich“ werden: Es gäbe keine Alternative.
Das Narrativ „Wir gegen die anderen“ entspricht dagegen Samuel Huntingtons Rede vom Zusammenprall der Kulturen. Nach Ansicht Huntingtons ist die Menschheit unwiderruflich aufgeteilt in verschiedene zivilisatorische Blöcke. Gesellschaften geraten nicht aufgrund universaler Ideologien aneinander, sondern aufgrund kultureller Werte, die zu fundamental sind für jedweden Kompromiss.
Indem sich die Welt globalisierte und mehr Kontakt zwischen den verschiedenen Völkern entstand, wurden diese kulturellen Spaltungen offensichtlicher und erzeugten zwischen einzelnen Gesellschaften Spannungen und Konflikte.
Diejenigen, die eine solche Universalkultur am stärksten vorantreiben wollen, sind eher Menschen aus dem Westen oder stark von westlichen Ideen beeinflusst.
Diese Werke wurden in den 1990er Jahren in den unmittelbaren Nachwehen des Kalten Kriegs geschrieben, und zwar aus einer westlichen Perspektive. Keine dieser Denkrichtungen hat sich angesichts der jüngsten Entwicklungen gut behaupten können.
Es ist klar, dass der Aufstieg Chinas und seines alternativen Modells von wirtschaftlicher Entwicklung und Regierungsführung die Vorstellung infrage stellt, die westliche liberale Demokratie sei die einzig mögliche Variante. Selbst Fukuyama hat eine andere Tonart angeschlagen und zeigte sich im Vorfeld des amerikanischen Einmarsches im Irak zunehmend enttäuscht von seiner eigenen Theorie.
Das Problem mit dem Argument des „Kampfes der Kulturen“ ist ein anderes. Es stimmt, dass man dieses Modell auf die heutige Welt beziehen könnte. Aber dann wird das Problem zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wenn nämlich Länder glauben, ein Kompromiss mit anderen Kulturen sei unmöglich, werden sie nicht versuchen, mit diesen zusammenzuarbeiten und erzeugen so die Spannung und den Konflikt, wie ihn Huntington vorhergesagt hat.